Ein Kuss und Schluss
mit zurückhaltendem Lächeln und musterte John von oben bis unten. »Ich bin Samantha. Die Geschäftsführerin. Und wer bist du?«
John zückte seinen Ausweis. Samantha schenkte ihm nur einen flüchtigen Blick, dann nahm er auf einem Barhocker Platz und stützte einen Ellbogen auf den Tresen. Er schlug die Beine übereinander, legte den Zigarillo in einen Aschenbecher und sah John misstrauisch an.
»Was kann ich für Sie tun, Herr Wachtmeister?«
John legte einen Fünfziger auf den Tresen, worauf sich Samanthas Augen trotz der dicken Mascara-Schicht interessiert weiteten.
»Ich suche nach einem Mann, der vielleicht zu Ihrer Kundschaft gehört. Als er das letzte Mal gesehen wurde, trug er eine Bluse mit Leopardenmuster, schwarze Spandex-Hosen, schwarze Handschuhe und weiße Schuhe.«
Samantha hob eine Augenbraue, ohne ansonsten eine Miene zu verziehen. »Weiße Schuhe und ein solches Outfit?« Er nahm einen Zug vom Zigarillo und blies einen Rauchring in die Luft. »Sind Sie in Wirklichkeit von der Modepolizei?«
»Und große Ohrringe, die wie Regenbogen aussehen.«
»O Gott! Ist das seine Alltagskleidung oder eine Halloween-Maske?« Er machte den Zigarillo aus. »Um ehrlich zu sein, diese Beschreibung könnte auf etwa zweihundert Leute passen, die jeden Abend hier ein- und ausgehen.«
»Dieser Mann dürfte um die einsachtzig groß sein. Er trug eine lange blonde Perücke.«
»Blond! Alle wollen immer nur blond! Was finden die Leute nur daran?«
Er warf sein falsches hüftlanges Haar mit einer affektierten Handbewegung über die Schulter. »Blond hat überhaupt kein Geheimnis. Es ist, als würde jemand auf und ab springen und rufen: ›Hier! Schaut mich an! Mich!‹« Er verdrehte angewidert die Augen. »Egozentrisch und ohne Stil. Mehr ist es nicht. Brünett hat viel mehr Klasse. Man sollte nicht sein Haar für sich sprechen lassen.«
Als ob seine Perücke nicht mit voller Lautstärke ein Lied von Zigeunern und Vagabunden singen würde!
»Haben Sie ein Foto?«, fragte Samantha.
»Nein«, sagte John. »Ich hatte gehofft, die Kleidung würde Ihnen bekannt vorkommen.«
Samantha betrachtete den Fünfzig-Dollar-Schein und schien zu überlegen, wie er sich das Geld verdienen konnte.
»Ich hätte da eine Idee.« Er griff über den Tresen und holte einen rosafarbenen Flyer hervor, den er John reichte. »Morgen Abend veranstalten wir eine Talentshow. Sämtliche Transvestiten, Drag-Queens und sonstigen Grenzgänger der Stadt werden anwesend sein. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist die Person darunter, die Sie suchen.«
John betrachtete den Flyer. Dem Sieger des Wettbewerbs winkten tausend Dollar und dem Zweitplatzierten immerhin noch fünfhundert. Eine solche Show zog bestimmt ein großes Publikum an.
Er faltete das Flugblatt zusammen und steckte es in eine Jackentasche. Dann nahm er sich eine Serviette, schrieb seine Telefonnummer darauf und schob sie zusammen mit dem Fünfziger zu Samantha hinüber. »Ich bin überzeugt, dass Sie mich anrufen werden, wenn Sie schon vorher jemanden sehen, auf den die Beschreibung passt.«
»Aber sicher, Sie können sich darauf verlassen, dass ich unverzüglich ans Telefon eile.« Samantha steckte sich den Schein und die Serviette ins falsche Dekolleté. »Und wenn Sie die gesuchte Person finden, tun Sie mir einen Gefallen und stören Sie den Geschäftsbetrieb nicht mehr als nötig. Der Besitzer des Ladens würde mir sonst den Arsch aufreißen.«
John verließ den Club und überquerte die Straße. Im Queen‘s Court waren weder Besitzer noch Geschäftsführer zu sprechen, und als der Barkeeper Johns Marke sah, presste er die Lippen fest zusammen. Es bestand kein Zweifel, dass irgendwo in unmittelbarer Nähe illegale Dinge stattfanden. Aber sofern diese Aktivitäten nicht von einem Mann mit Leopardenbluse begangen wurden, interessierte sich John im Augenblick nicht dafür. Ein Blick des Barkeepers genügte, um auch die übrigen Gäste an der Theke zum Schweigen zu bringen. Hier würde er überhaupt nichts erfahren.
Er ging anderthalb Blocks weiter nach Süden, bis er das Chameleon erreichte, wo bereits etwas mehr Betrieb herrschte. Er hielt sich dort etwa eine halbe Stunde auf und beobachtete das Kommen und Gehen der Gäste. Er sprach mit einigen Angestellten und sogar mit zwei Kunden, aber niemand schien sich an die auffällige Kleidung oder die Ohrringe erinnern zu können.
John verließ den Laden und blieb an einer Straßenecke stehen. Er wünschte sich, er hätte Renee
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