Ein Kuss und Schluss
nicht! Du wirst hier drinnen viele Freundinnen finden. Wir werden dich sogar Big Maude vorstellen. Sie ist ganz vernarrt in hübsche kleine Blondinen wie dich!
Renee drehte sich der Magen um. Die Erinnerungen an diese schrecklichen Stunden wirbelten wie Szenen aus einem Horrorfilm in ihrem Kopf herum. Sie konnte es nicht tun. Wenn sie zuließ, dass John sie nach Tolosa brachte, würde sich ihr Leben in einen Albtraum verwandeln.
Die Waffe fühlte sich in ihren Händen unglaublich schwer an. Die Muskeln ihrer Unterarme waren so angespannt, dass sie sie am liebsten fallen gelassen hätte. Aber das durfte nicht geschehen. Die Waffe in ihren Händen war das Einzige, das sie vor dem Gefängnis bewahren konnte. Sie atmete tief durch und legte den Finger an den Abzug.
»Du darfst mich nicht einsperren!«, sagte sie. Ihre Stimme zitterte so heftig, dass sie kaum sprechen konnte. »Ich ... ich muss dich irgendwie aufhalten. Ich kann nicht anders.«
Sie hob den Lauf der Pistole ein kleines Stück an. John riss die Augen auf und hob beide Hände. »Bitte, Renee ...«
Sie hatte noch nie zuvor eine Waffe abgefeuert, also wusste sie nicht, wie es sich anfühlen würde. Sie rechnete mit einem lauten Knall und einem Rückstoß, der sie möglicherweise zu Boden warf. Also machte sie sich auf das Schlimmste gefasst. Sie hatte nicht den Eindruck, dass John Angst zu haben schien, aber in seinen Augen blitzte so etwas wie Besorgnis auf.
»Immer mit der Ruhe, Renee. Überleg dir genau, was du tust.«
Nein. Sie hatte lange genug überlegt. Jetzt war die Zeit zum Handeln gekommen.
»Es tut mir Leid, John.«
Sie holte tief Luft, konzentrierte sich auf das Ziel, schloss die Augen ... und drückte den Abzug durch.
7
»Du hast auf meinen Wagen geschossen?«
John sah fassungslos zu, wie mit Frostschutzmittel versetztes Wasser aus einem kleinen Loch im Kühler gluckerte.
»Du hast auf meinen Wagen geschossen?«
Renee starrte auf die Pistole in ihren Händen. »Äh ... ja. Ich glaube, so ist es.«
In einem Anfall wütender Verzweiflung tat John, was er sofort hätte tun sollen, als sie die Waffe an sich genommen hatte. Er ging zu ihr und entriss sie ihr.
»Was hast du gegen Autos?«, schrie er und steckte die Waffe wieder in den Bund seiner Jeans. »Zuerst hast du eins abgefackelt, und jetzt hast du auf eins geschossen. Was kommt als Nächstes? Der Galgen? Oder die Guillotine?«
Renee trat zögernd einen Schritt vor und betrachtete das Einschussloch. »Ich habe den Kühler erwischt, richtig? Kann ein Auto ohne Kühler fahren?«
»Natürlich kann es das! Solange du aufpasst, dass der Motor nicht zu heiß wird und es keinen Kolbenfresser gibt.«
»Ein Kolbenfresser. Ist das schlimm?«
»Wie man‘s nimmt. Die Reparatur dürfte etwa zweitausend Dollar kosten.«
»Also wäre es keine gute Idee, ein Auto zu fahren, wenn der Kühler ... äh ... ein Schussloch hat.«
Auf einmal verstand er. Deshalb hatte sie es getan. Sie hatte nicht den Polizisten, sondern sein Auto außer Gefecht gesetzt.
John hatte keine Ahnung, wie viel er noch ertragen konnte. Er hatte noch fünf Patronen, aber es wäre nur eine Einzige nötig, um all seine Probleme zu lösen. Nachdem er ihre Leiche im See versenkt hatte, konnte er endlich den wohlverdienten Schlaf nachholen. Wenn er dann an einem wunderschönen sonnigen Morgen aufwachte, würde er die Pannenhilfe anrufen, seinen Kühler reparieren lassen, sein Leben fortsetzen und so tun, als wäre er niemals einer gewissen Renee Esterhaus begegnet. Und sie würde den Rest der Ewigkeit dafür sorgen, dass der Teufel es bitter bereute, jemals um ihre Seele gebettelt zu haben.
Okay. Eine nette kleine Fantasie. Aber wenigstens die Sache mit der Pannenhilfe würde er in die Tat umsetzen. Er nahm Renee die Schlüssel ab und holte sein Handy aus dem Wagen. Dann schaltete er es ein.
Nichts.
Er starrte es eine Weile benommen an, dann warf er Renee einen vorwurfsvollen Blick zu.
»Ja, ich habe es benutzt und jemanden angerufen.«
»Es ist mir scheißegal, ob du jemanden angerufen hast! Du hast es nicht ausgeschaltet! Und jetzt ist der Akku leer!«
Der Ausdruck einer plötzlichen Erkenntnis trat in ihr Gesicht, und sie sah ihn nachdenklich an. »Du kannst es doch wieder aufladen, nicht wahr? Du hast doch sicher ein Ladegerät dabei, oder?«
Als er sie weiterhin wütend anfunkelte, nahm ihr Gesicht einen zaghaften, aber unmissverständlichen Ausdruck der Erleichterung an, der zu sagen schien: Ich habe auf deinen
Weitere Kostenlose Bücher