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Ein Kuss und Schluss

Ein Kuss und Schluss

Titel: Ein Kuss und Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Graves
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Selbsterhaltungstriebs riet ihr dazu, sich vom Wald fern zu halten, aber dann entschied sie, dass es in Anbetracht der Umstände wohl das Klügste wäre, nicht von der Seite des Manns mit der Pistole zu weichen.
    »Klingt, als schleicht jemand durchs Unterholz«, flüsterte sie.
    »Pssst ...«
    »Bist du dir sicher, dass Leandro noch in Winslow ist?«
    »Halt jetzt bitte die Klappe!«
    John blieb stehen und lauschte. Mehrere Sekunden lang herrschte Stille. »He!«, rief er. »Wer ist da?«
    Renee hörte ein hektisches Scharren, unmittelbar vor ihren Füßen. Sie sah nach unten, und genau vor ihr starrten zwei teuflisch rote Augen zu ihr auf, als wäre etwas direkt aus den Tiefen der Hölle emporgestiegen.
    Mit einem erstickten Schrei riss sie sich von John los und rannte davon.
    »Renee! Bleib stehen!«
    Aber jetzt hatte ihr Fluchtinstinkt die Kontrolle übernommen, und es gab nichts, das sie noch aufhalten konnte. Außer einem Hindernis, das ihr plötzlich im Weg war. Sie spürte etwas Hartes, dann flog sie der Länge nach hin. Als sie auf den Waldboden prallte, wurde ihr die Luft aus den Lungen gepresst.
    »Renee, es ist doch nur ein Gürtelt ...«
    John kam nicht mehr dazu, den Satz zu vollenden, weil er über denselben Baumstamm stolperte wie sie und direkt neben ihr auf dem Boden landete. Er gab nur noch ein ersticktes »Uff« von sich.
    Innerhalb weniger Sekundenbruchteile gelangte Renee zu zwei wichtigen Schlussfolgerungen. Erstens hatte sie soeben vor einem der harmloseren Geschöpfe Gottes - einem Gürteltier - die Flucht ergriffen, und zweitens lag das, was sie vor einer längeren Haftstrafe bewahren würde, gar nicht weit von ihren Händen entfernt in einem Haufen Kiefernnadeln.
    Johns Waffe.
    Ohne weiter nachzudenken, rappelte sie sich auf und machte einen Satz nach vorn. Mit der rechten Hand, die unter der linken fixiert war, griff sie nach der Pistole, dann wälzte sie sich herum, bis sie sich in eine sitzende Position gebracht hatte. John hatte sich ebenfalls halb aufgerichtet, aber sie war schneller gewesen. Vor allem hatte sie schneller geschaltet, was die Waffe betraf. In ihren Händen fühlte sie sich schwer und gefährlich an, aber trotz ihrer eingeschränkten Bewegungsfreiheit hielt sie die Pistole fest. Sie war wild entschlossen, nicht ihrem Instinkt nachzugeben und auch vor diesem Ding schreiend davonzulaufen.
    John hockte auf den Knien und atmete schwer. »Gib mir die Waffe, Renee.«
    »Auf gar keinen Fall.« Sie stand mühsam auf, ohne ihn einen Moment aus den Augen zu lassen.
    »Es kann ziemlich teuer werden, auf einen Polizisten zu schießen«, sagte er und kam gleichzeitig mit ihr auf die Beine.
    »Ich will dir nicht wehtun. Ich will nur deinen Wagen.« Sofern sie in der Lage war, mit gefesselten Händen zu fahren.
    »Gib mir die Schlüssel«, sagte sie.
    Er zögerte eine Weile, dann griff er mit bedächtigen Bewegungen in eine Hosentasche und holte die Schlüssel heraus.
    »Wirf sie auf den Boden und geh zurück.«
    Er tat, was sie ihm befahl, aber selbst in der Dunkelheit des Waldes machte seine kalt berechnende Art sie nervös. Sie wusste, dass sein Gehirn unablässig an einem Plan arbeitete, wie er wieder die Oberhand gewinnen konnte. Er ging zwei Schritte zurück, dann noch einen.
    »Weiter«, sagte sie und wartete, bis er weit genug entfernt war, um ihr nichts mehr anhaben zu können, wenn sie die Pistole senkte und nach den Schlüsseln griff. Als sie überzeugt war, dass er keine unmittelbare Gefahr mehr darstellte, ging sie vorsichtig in die Knie und hob die Schlüssel auf.
    Sie kehrte durch die Bäume zum Explorer zurück und hielt ständig die Waffe auf ihn gerichtet. Doch zu ihrer Bestürzung machte er für jeden Schritt, den sie rückwärts ging, einen Schritt vorwärts.
    »Nein!«, schrie sie. »Bleib, wo du bist!«
    Er ging weiter, langsam und stetig. »Wie viele weitere Verbrechen willst du in dieser Nacht noch begehen, Renee?«
    »Verbrechen? Ich habe nichts ...«
    Er hatte Recht. Sie konnte das entsprechende Gesetz zwar nicht zitieren, aber sie war überzeugt, dass es ein Verbrechen war, einen Polizisten mit der Waffe zu bedrohen. Und sie konnte sich vorstellen, dass es ein noch größeres Verbrechen war, wenn sie es mit seiner Waffe tat. Wieder etwas, das sie der Liste hinzufügen konnte, auf der bereits Widerstand gegen die Staatsgewalt, Brandstiftung, Autodiebstahl und ein paar andere Kleinigkeiten aufgeführt waren. Gütiger Himmel! Wie hatte all das geschehen können,

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