Ein Kuss unter dem Mistelzweig
erhalten hatte. Laurie nuschelte den anderen eine Entschuldigung zu, als sie den Text las. Sie musste schon die Augen zukneifen, um überhaupt scharf sehen zu können. Die Nachricht war von Danny.
Laurie, frohe Weihnachten. Wir alle haben dich heute Abend vermisst.
»Ha, gut!«, rief Laurie laut, ohne jemand im Besonderen anzusprechen. Sie las weiter.
Kurzes Update: Die neuen Navajo-Taschen kamen nur wenige Tage später in den Handel – DER Verkaufsschlager im Weihnachtsgeschäft. Hat unsere Erwartungen weit übertroffen. Und die fehlerhaften Taschen – jetzt halt dich fest: Irgendein Mitarbeiter aus dem Haus hat ein Foto durchsickern lassen, das sich dann wie ein Lauffeuer verbreitet hat. Die Leute haben tatsächlich gedacht, das Logo sei ein antikapitalistischer Protest?! Es gab daraufhin einen unglaublichen Ansturm auf unseren Musterverkauf in Dalston, sodass wir alle an einem einzigen Morgen verkauft haben. Gillian hat irgendwas darüber verlauten lassen, dass diese Anti-Marke nun die neue In-Marke sei …
Aber ohne dich war hier die Hölle los. Wir brauchen dich. Gillian hat sich gerade erkundigt, ob man dich nicht dazu überreden könne, schon früher zurückzukommen. Anfang Januar? Was meinst du? LG D .
Laurie dachte an ihre Flugtickets nach Spanien. Und sie dachte darüber nach, wie viel sie innerhalb eines Monats darüber gelernt hatte, was sie wirklich wollte. Sie tippte eine kurze Antwort ein.
Hi Danny. Vielen Dank für das Angebot, aber du hattest recht – ich brauche tatsächlich eine Auszeit. Wir sehen uns im Februar. Frohe Weihnachten!
LG L .
Sie drückte auf »Senden«. Obwohl sich gerade noch alles gedreht hatte, schien sie nun plötzlich einen klareren Kopf als je zuvor zu haben. Wenn sie wieder zur Arbeit zurückkehren würde, wäre nichts mehr wie zuvor – die vielen Überstunden, die durchgearbeiteten Wochenenden und langen Abende. Jetzt hatte sie alles unter Kontrolle, und es würde sich einiges verändern.
K apitel 31
Freitag, 22. Dezember
»Ich kann’s immer noch nicht fassen«, staunte Bea, als sich ihre Familie rund um ihr Bett scharte. »Die Ärzte haben gesagt, dass ich Weihnachten zu Hause feiern kann – und, schnell auf Holz klopfen«, sie beugte sich vor und klopfte auf das Seitenteil des Tischchens, das höchstwahrscheinlich allerdings nur billiges Furnier war, »das noch viele Jahre lang.« Dabei hatte sie ein breites Grinsen auf dem Gesicht – das hatte eine ganze Weile lang keiner von ihnen bei ihr zu sehen bekommen. Bea sah wirklich gut aus, nur der Verband an ihrem Kopf und eine kahlgeschorene Stelle ließen erahnen, was sie durchgemacht hatte. Typisch Bea – sie hatte sich von Milly bereits ein glitzerndes Kopftuch ausgeliehen und es sich gekonnt um den Kopf gewickelt, um die Stelle zu verdecken. Alle stimmten ihr zu, dass ihr das Kopftuch sehr gut stand.
Milly nahm ihre Großmutter fest in den Arm. »Ich bin so froh, Grandma, dass es dir gut geht!«
»Ich auch!«, rief Zak und schloss sich der Umarmung an.
Die Station, die stets so kalt, nackt und abweisend gewirkt hatte, schien nun in ein wärmeres Licht getaucht zu sein. Von Beas Bett aus konnte man nicht nur einen Weihnachtsbaum mit Lichterketten sehen, sondern auch die Weihnachtsdeko, mit der die Krankenhauskorridore geschmückt waren.
Aiden drehte sich um, als Dr. Patel durch den Vorhang trat.
»Ist die ganze Familie gekommen, um Sie zu besuchen, Mrs Murray?«
»Ja, Frau Doktor, das ist eine ganz wunderbare Bande, nicht wahr?«, lächelte Bea. »Manchmal weiß ich zwar nicht, wie sie es mit mir aushalten, aber ich freue mich sehr, dass sie es noch eine ganze Weile lang müssen.«
»Ja, ganz sicher«, erwiderte Dr. Patel. »Sie haben uns ja einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Leider birgt jede Operation dieser Art ein gewisses Risiko, und Sie haben wirklich Pech gehabt. Aber umso mehr freue ich mich, Ihnen mitteilen zu können, dass der Chirurg den Tumor vollständig entfernen konnte. Das Risiko, dass er noch einmal nachwächst, ist gering, aber falls Sie noch einmal feststellen, dass gewisse Symptome zurückkehren, sollten Sie die bitte nicht ignorieren. Bevor Sie nach Hause entlassen werden, müssen wir Sie allerdings noch ein paar Hörtests unterziehen. Außerdem muss Ihr Hausarzt die Nachsorge übernehmen. Die nächsten Monate müssen Sie sich noch schonen, und auch Autofahren ist tabu.«
»Wann ist sie so weit, dass wir sie mit nach Hause nehmen können?«, erkundigte sich Rachel
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