Ein Kuss unter dem Mistelzweig
habe?«
Laurie drückte sanft Rachels Hand und lächelte. »Na, Gott sei Dank«, seufzte sie. »Denn da gibt es noch etwas, worüber ich mit dir reden muss. Und dafür brauchen wir jede Menge Wein, vertrau mir. Es geht um Milly.«
In der Nähe der U -Bahn-Station Clapham Common winkte Rachel auf der Straße ein schwarzes Taxi heran. Nachdem sie dem Fahrer die Adresse von Lauries Wohnung genannt hatte, stieg sie ein. In der U -Bahn-Station hatte sie sich schon von Laurie verabschiedet; beide hatten sich dabei herzlich umarmt. Was Laurie ihr über Milly erzählt hatte, war ein echter Schock gewesen, doch dank Lauries Rat und Unterstützung fühlte sich Rachel stark genug, um sich mit der Situation auseinanderzusetzen. Alles andere war mit einem Mal vergessen, als die beiden sich auf das konzentrierten, was am allerwichtigsten war – sicherzustellen, dass mit Milly alles in Ordnung war und sie nicht verletzt wurde.
Das Taxi konnte nur im Schneckentempo die Clapham High hinunterfahren, da der Fahrer immer wieder bremsen musste, weil plötzlich Weihnachtseinkäufer auf die Straße liefen, um noch schnell bei M & S Alkoholisches und Essen für die Festtage einzukaufen. Rachel hätte am liebsten die Straße von allen Hindernissen befreit. Die eigentlich nur kurze Strecke zog sich endlos dahin, und das Taxameter lief fröhlich weiter – doch das Geld war das Letzte, was Rachel im Augenblick interessierte. Sie wollte nur zu Milly und sich mit ihr unterhalten.
Als sie nach Hause kam, lief sie schnurstracks in Millys Zimmer.
»Milly!«, flüsterte sie. Als ihre Tochter mit einem leisen »Ja?« antwortete, öffnete sie die Tür.
Milly lag in einer Jogginghose und einem weißen T -Shirt auf dem Bett und studierte eines von Lauries Vogue -Magazinen.
»Liebes, hast du mal eine Minute für mich?«, fragte Rachel.
»Hi Mum!«, erwiderte Milly. »Klar. Was ist los?«
Rachel hockte sich ans Bettende.
»Geht es um Grandma?«
»Nein.« Rachel streifte sich die Stiefel ab. »Das ist es nicht. Granny erholt sich prächtig.«
»Okay.« Milly richtete sich auf und setzte sich im Schneidersitz hin. »Prima.«
»Ich habe mich mit Laurie getroffen.«
»Hast du? Aber – wie kommt’s …«, stotterte Milly. »Wenn sie hier ist … warum sind wir dann nicht …«
»Sie wohnt ein paar Tage lang bei ihrer Tante, während wir darauf warten, dass Grandma wieder ganz gesund wird.«
»Okay.« Milly zuckte mit den Schultern. »Schon komisch, dann immer noch hier zu sein, aber was soll’s.«
»Milly«, hob Rachel an und atmete tief durch. »Ich weiß, dass es in letzter Zeit nicht einfach war, und dein Dad und ich haben uns große Sorgen um Grandma gemacht.« Rachel musste an all die Male denken, als Milly völlig verschlossen, teilweise sogar ziemlich aufgelöst oder verärgert gewirkt hatte und Rachel sie einfach in ihr Zimmer hatte gehen lassen. »Gibt es irgendwas, worüber du mit mir sprechen willst, Milly?«
»Nein.« Milly klappte das Magazin zusammen.
»Bist du sicher? Es muss sich auch nicht nur auf London beziehen. Ist zu Hause vielleicht irgendwas …«
»Mum!«, schnauzte Milly sie an. »Ich bin fünfzehn! Ich bin kein kleines Kind mehr!« Sie starrte ihre Mutter böse an. »Ich muss dir nicht mehr alles erzählen.«
»Milly, ich will gar nicht neugierig sein. Aber ich möchte dir helfen, wenn irgendetwas ist.« Rachel bemerkte, dass ihrer Tochter die Tränen in die Augen stiegen. Doch Milly schien fest entschlossen zu sein, kein Wort zu sagen.
»Milly – von wem sind die Ballons?«, hakte Rachel sanft nach und deutete auf den flauen Haufen Metallfolie in der Zimmerecke.
»Warum schikanierst du mich schon wieder?«, rief Milly, zog die Beine an und schlang die Arme um die Knie.
»Weil du mir wichtig bist. Und auch deinem Dad«, entgegnete Rachel, legte ihre Hand auf Millys Arm und sah ihr in die Augen.
Millys Wangen färbten sich rot. »Okay. Sie sind von einem Jungen. Aus Skipley. Der mich mag.«
Rachel nahm alle Kraft zusammen. Sie musste weitermachen, aber sie wollte Milly auch nicht vor den Kopf stoßen.
»Und magst du ihn auch?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Milly und schaute zu Boden. »Ich dachte, ich würde ihn mögen. Aber jetzt bin ich mir nicht mehr sicher. Ich habe ihn ja nur einmal getroffen.«
»Milly, dieser Junge …«, fuhr Rachel fort. »Er ist ein ganzes Stück älter als du, oder? Ich glaube nicht, dass …«
»Woher …?« Millys Wangen färbten sich dunkelrot. »Woher
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