Ein Kuss unter dem Mistelzweig
zögernd.
»Ich denke, morgen sollte sie so weit sein«, erwiderte Dr. Patel mit einem Lächeln. »Sie werden rechtzeitig zum Weihnachtsfest wieder zu Hause sein. Aber denken Sie bitte daran, sich noch zu schonen, Mrs Murray«, fuhr sie fort und bedachte Bea mit einem Blick, der keinen Zweifel an ihrem Verdacht ließ, dass Bea wahrscheinlich nach der aufgezwungenen Bettruhe, die sie bereits hinter sich hatte, kaum einen Moment lang würde still sitzen können.
Rachel fiel ein Stein vom Herzen. Als sie sich mit ihren Kindern in die Arme fiel, langte sie nach hinten und griff nach Aidens Hand. Als sein Blick auf sie fiel, spürte Rachel, wie ein fehlendes Stück ihres Herzens wieder an seinen Platz rutschte.
»In einer halben Stunde ist Abfahrt«, verkündete Rachel, als sie die Frühstücksschüsseln spülte. »Los, ab in dein Zimmer – geh deinen letzten Krempel zusammenpacken«, rief Aiden, als Zak noch einmal zurückkehrte und eine weitere Frage stellen wollte – seine klassische Verzögerungstaktik.
Aiden schaute zu Rachel hinüber und lächelte. »Das ist fast wie …« Er verstummte.
»Genau das habe ich auch gedacht«, pflichtete Rachel ihm bei und strich ihm über die Hand. Aiden runzelte die Stirn, doch sein Lächeln blieb.
»Los, sag’s«, rief ihm Rachel zu. »Du darfst das jetzt wieder denken, weißt du?«
»Es ist fast wie immer«, fuhr er fort. »Mum ist im Augenblick natürlich das Wichtigste«, fügte er hinzu, als Rachel auf ihn zukam und ihn auf die Stirn küsste. »Aber es ist noch mehr als das.« Lächelnd lehnte er sich an die Küchentheke. »Alles scheint wieder ins Lot zu kommen, Rachel. Die ersten beiden von Jays Möbelstücken sind eingetroffen, und Simon sagt, dass sie der absolute Hit waren. Ich kann es immer noch nicht so ganz glauben – wir haben nicht nur den Auftrag für den Umbau der Westley-Scheune an Land gezogen, wir haben obendrein noch unsere Kunden völlig begeistert. Ich habe bereits mit diesem Möbel-Showroom darüber gesprochen, dass wir gern für Jays Entwürfe werben würden, und sie haben zugestimmt. Wie es aussieht, werden wir weiterhin eng zusammenarbeiten können.«
»Das ist ja fantastisch!«, rief Rachel, deren Erleichterung sich mit Aidens Begeisterung vermischte.
»John und Sue, die Besitzer der Westley-Scheune, haben uns an ein paar ihrer Freunde weiterempfohlen – unter anderem auch an ein Pärchen, das die Kirche in Giggleswick gekauft hat und die nun in ein Familienheim umbauen will. Wir haben zwar noch nie eine Kirche umgebaut, aber du weißt, wie sehr ich mir eine solche Herausforderung gewünscht habe – außerdem könnte sich dadurch für uns ein völlig neuer Markt öffnen.«
Rachel drückte Aidens Arm. »Ich habe ein gutes Gefühl, was das neue Jahr angeht«, stellte sie lächelnd fest.
»Ich auch«, erwiderte Aiden, beugte sich vor und gab ihr einen Kuss.
Bea saß auf dem Beifahrersitz, und deshalb kam sie in den Genuss, die Hörfunk-Seifenoper The Archers in voller Lautstärke zu hören. Das ist eines der Privilegien, wenn man Großmutter ist, dachte sie.
Rachel hatte sich mit Milly und Zak auf die Rückbank gequetscht, während der Kofferraum aufgrund des ganzen Gepäcks als allen Nähten zu platzen drohte.
»Ist es bald vorbei?«, stöhnte Milly. »Ich meine das ganz ernst: Passiert da überhaupt mal was bei den Archers? Das ist doch jedes Mal dasselbe!«
»Oh, da liegst du aber falsch!«, entgegnete Bea und drehte sich zu Milly um. »Aber total falsch. Hast du schon die Ausgabe vergessen, als der eine Typ vom Dach gefallen ist? Man darf keine Folge verpassen, Milly, das ist einfach zu wichtig. So etwas könnte jederzeit noch einmal passieren.«
Milly stöhnte. Rachel saß an die Autotür gedrückt, mit einem Teenager, einem sechsjährigen Jungen sowie lauter Kissen und Stofftieren um sich herum. Das Einzige, womit sie Zak zum Schweigen hatte bringen können, war eine Packung Gummibärchen voller ungesunder Zusatzstoffe gewesen. Wahrscheinlich würde sie es noch bedauern, ihm die Tüte gegeben zu haben, wenn der Zuckerschock einsetzte.
Rachel mochte Verabschiedungen überhaupt nicht, und obwohl sie sich darauf freute, nach Hause zurückzukehren, hatte sie der Abschied von Jay und Siobhan sehr traurig gestimmt. Wenigstens konnte sie sicher sein, dass sie Jay bald wiedersah – im neuen Jahr würde er mit weiteren Möbeln für die Scheune nach Yorkshire hinaufkommen und sie zusammen mit Aiden einbauen.
Lily hatte alles
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