Ein Kuss unter dem Mistelzweig
wie ein Model, doch sie war immer schon neidisch auf Rachels Oberweite gewesen. Schon in frühester Teenagerzeit war Lauries Körper bei einer 75A stehen geblieben, während Rachel immer weiter zugelegt hatte und schließlich bei DD angekommen war. Mittlerweile hingen ihre Brüste zwar nicht mehr da, wo sie ursprünglich mal gewesen waren, doch sie waren immer noch das Körperteil, das Rachel am besten an sich gefiel.
Jedenfalls ist deine Mail eine nette Überraschung – und vom Timing her goldrichtig. Ihr seid herzlich eingeladen, bei mir zu wohnen.
Hervorragend, dachte Rachel und las weiter.
Aber hör mal, Rachel, ich habe eine Idee, die vielleicht noch besser funktionieren würde.
Ihr müsst nach London – und ich könnte eigentlich einen Tapetenwechsel vertragen. Warum kommt ihr nicht her und bleibt, solange es nötig ist, während ich mir in eurem Cottage eine kleine Auszeit nehme?
Rachel ließ den Vorschlag auf sich wirken. Ein Häusertausch – sie kannte durchaus ein paar Freunde, die ihren Urlaub auf diese Art und Weise organisierten und davon ganz begeistert waren. Im Grunde genommen war es keine schlechte Idee – sie und die Kinder wären dadurch in der Lage zu kommen und zu gehen, wann es ihnen passte, und das Krankenhaus zu besuchen, ohne irgendwem im Weg zu sein. Die wenigen Tage, die Aiden in Skipley war, konnte er auch bei Bea wohnen, um das Cottage für Laurie freizumachen.
Sie trank einen Schluck Kakao, lächelte und tippte ihre Antwort.
Tolle Idee , schrieb sie. Abgemacht .
K apitel 5
Freitag, 24. November
»Ich glaube, ich habe gerade einen völlig abwegigen, lächerlichen Vorschlag gemacht«, erklärte Laurie und schöpfte mit einem antiken Silberlöffel die aufgeschäumte Milch von ihrem Mokka ab.
Es war Freitag, vier Uhr nachmittags – fünf lange Tage nach dem Desaster bei Seamless. Laurie hatte Siobhan dazu überredet, sich im Lacey’s auf einen Kaffee zu treffen. Das war ihr Lieblingscafé, zu dem man über eine kurze Treppe hinaufsteigen musste und das sich in einer umgebauten Arkade mit Boutiquen und Restaurants befand, die als Brixton Village Market bekannt war. Stücke von selbst gebackenem Brot befanden sich in Hülle und Fülle in Körben auf der Theke, und Muffins, Scones und Kuchen bedeckten einen schweren Holztisch an der Seite. Ein weißer Mops in einem Strickpullöverchen schnüffelte auf der Suche nach heruntergefallenen Krümeln um Lauries Füße herum, und bald schon schloss sich ihm sein schwarzer Freund an, der ein passendes Pullöverchen trug. Die beiden Hunde zankten sich um ein Stück Bio-Maismehl-Gebäck.
Laurie hatte die letzten Tage im Fitnessstudio verbracht, um ihre nervöse Anspannung abzubauen und die viele Freizeit mit Spinning-Kursen, Aerobic und Zumba zu füllen. Doch das Gespräch mit Danny und der Anblick der ruinierten Navajo-Taschen wollten ihr nicht aus dem Kopf gehen.
Der Kellner brachte ihnen die bestellten Muffins auf hübschen Tellern mit Blümchenmuster, und Siobhan stürzte sich sogleich mit Begeisterung darauf. Laurie jedoch war der Appetit vergangen.
Das Lacey’s war etwas Besonderes – nicht etwa wegen all der Dinge, die es hier gab, sondern wegen dem, was es hier nicht gab – nämlich Babys. Irgendwie, wahrscheinlich durch die Treppe, die hier hinaufführte, war es für die vielen Buggys unerreichbar. Natürlich war an Babys oder frischgebackenen Müttern grundsätzlich nichts auszusetzen – solange sie nicht ellenlang die Schlafgewohnheiten ihrer Babys diskutierten oder einem einen jener mitleidvollen Blicke zuwarfen. Was aber oft genug passierte.
Siobhan schien voll und ganz darauf konzentriert zu sein, das Papierförmchen von ihrem Muffin zu lösen. Darum setzte Laurie noch einmal etwas lauter an. »Ich mache bei einem Häusertausch mit.«
»Wie bitte?« Siobhan schaute auf und schenkte Laurie nun ihre volle Aufmerksamkeit. »Etwa wie im Fernsehen?«
»Ein bisschen«, erwiderte Laurie. »Das hat sich irgendwie so ergeben. Obwohl es natürlich keine Kameras gibt. Ich helfe damit einer alten Freundin aus der Patsche.« Laurie hob die Tasse an die Lippen.
»Ach? Wem denn?«
»Rachel. Ich habe dir bestimmt mal von ihr erzählt. Meine Schulfreundin – wir waren damals wirklich eng befreundet. Aber dann ist sie … Keine Ahnung … Mutter geworden und in ein kleines Dorf in Yorkshire gezogen. Damit war sie dann weg vom Schirm. Du weiß ja, wie so was ist.«
»Oh ja. Das ist die Freundin, mit der du als Teenager
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