Ein Kuss unter dem Mistelzweig
nach Griechenland gereist bist, oder?«
Laurie nickte. »Genau. Wir sind mit neunzehn dort hingefahren – kurz, bevor sie schwanger wurde.« Laurie hielt inne, schüttelte dann den Kopf, erinnerte sich an den Augenblick, als sie in ihrem Bad gestanden und zusammen ungläubig auf Rachels Schwangerschaftstest gestarrt hatten. Fünf Minuten lang hatte keine von ihnen beiden auch nur einen Ton gesagt. Rachel war immer die intelligentere von ihnen beiden gewesen; sie hatte bereits einen Studienplatz sicher. Eigentlich sah es eher Laurie ähnlich, solchen Mist zu bauen.
»Sind sie und der Vater des Kindes immer noch zusammen?«, fragte Siobhan.
»Oh ja. Sie haben mittlerweile sogar zwei wunderhübsche Kinder, Milly und Zak. Der Vater heißt Aiden Murray, in der Schule war er in unserer Stufe.«
»Wow.« Siobhan riss ihre grünen Augen weit auf. »Das ist verdammt romantisch, oder?« Ihr Blick wanderte zu einem lächelnden Pärchen, das an einem Tisch neben der Tür stand, die Mützen und Schals auszog und Platz nahm.
»Romantisch? Ehrlich?« Laurie grinste schief und schüttelte den Kopf. »Finde ich nicht.« Laurie nippte an ihrem Mokka. Plötzlich hatte sie ein Bild von Aiden zu Schulzeiten vor Augen – groß und gut aussehend. Er war immer nett zu ihr gewesen, selbst wenn seine Freunde sie gepiesackt hatten. Sie schob die Erinnerung beiseite. »Schwanger, bevor sie zwanzig war? Verdammt zu einem Leben, das aus Katalogbestellungen, Rotzfahnen und Sorgen besteht? Wenn das Romantik sein soll, dann kannst du sie gern behalten.«
Siobhan kniff die Augen zusammen und warf ihr einen Blick zu, mit dem sie sagen wollte, »Komm schon, jetzt übertreibst du aber etwas«.
»Rachel sagt, dass sie glücklich ist. Aber mal ehrlich: Wer will denn so ein Leben? Ich würde im Leben nicht mit ihr tauschen wollen – nicht mal eine Sekunde lang.«
Damals, als sie sich im Alter von zwölf Jahren kennengelernt hatten, vielleicht schon. Tatsächlich hätte sie sogar alles getan, um mit ihr zu tauschen. Rachel mit ihren schönen Kleidern, dem großen Haus und den teuren Urlaubsreisen hatte viele Freunde und heimste ebenso leicht die besten Noten ein. Im Gegensatz dazu war Laurie, die als eines der wenigen Kinder aus einer Siedlung stammte, mit ihrer klapperdürren Gestalt und den neonfarbenen Jogginganzügen ein Niemand gewesen und leichte Beute für alle Hänseleien und dergleichen – bis sie Rachels Freundin geworden war.
»Da bin ich aber froh«, entgegnete Siobhan. »Denn ich sage es dir nur ungern, aber Freaky Friday – Ein voll verrückter Freitag war keine Doku, Laurie. So einen Tausch zu arrangieren ist ziemlich schwierig.«
Laurie verdrehte die Augen. »Ich sage es dir ja auch nur, weil du ein paar Wochen lang neue Nachbarn haben wirst – inklusive meines Patenkindes, Milly.«
»Du hast ein Patenkind?« Überrascht zog Siobhan die Augenbrauen hoch. »Jemand hat dir die Verantwortung für ein K …«
» Ja, okay? Sie ist Rachels Tochter«, erwiderte Laurie gereizt. »Sie ist ein wunderbares Mädchen. Ich sehe sie nicht oft – eigentlich bin ich sogar noch nie dort zu Besuch gewesen, was ziemlich mies ist, schätze ich mal. Aber ich habe mich mit ihnen auf halbem Wege in Oxford getroffen und ihr ab und an Postkarten geschickt – von den Fashion Weeks und Auslandsreisen. Sie fährt ziemlich auf Mode ab. Aber was ich eigentlich sagen will: Ich bin für eine Weile fort. Ich ziehe so lange nach Yorkshire in Rachels kleines Dorf – genauer gesagt nach Skipley, so heißt das Nest –, um ein bisschen aufzutanken.«
Siobhan hätte beinahe den Bissen in ihrem Mund komplett über den Tisch gespuckt. »Ein Dorf in Yorkshire? Die Yorkshire Dales sind ja wirklich wunderschön, aber darf ich dich noch einmal daran erinnern, wie sehr dir damals in diesem Wellnesshotel die Decke auf den Kopf gefallen ist? Was willst du denn da oben tun?«
Laurie hatte sich um diesen Teil noch keinerlei Gedanken gemacht. »Na ja, das Cottage sieht wirklich zauberhaft aus. Du weißt schon, Rosen ranken um die Haustür, das ganze Drum und Dran.«
»Es wird keine Rosen geben, Laurie, wir haben beinahe Dezember. Und viel Glück bei der Suche nach einer Sushi-Bar.«
Laurie stellte fest, dass selbst Sushi – eine ihrer Lieblingsspeisen – sie momentan nicht reizen konnte. Seit Montag hatte sie kaum etwas gegessen.
»Dafür spräche allerdings, dass ein paar deftige Yorkshire-Puddings dafür sorgen könnten, dass du ein bisschen was auf
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