Ein Kuss unter dem Mistelzweig
nicht geplant, sie abzufüllen – doch wenn sie gewusst hätte, so die echte Diana kennenzulernen, hätte sie es vielleicht tatsächlich in Erwägung gezogen.
»Ich bin darüber hinweg, wirklich«, erklärte Diana. »Aber mal ganz im Ernst …« Sie schüttelte traurig den Kopf. »Da denkt man, man kennt jemanden …«
»… und dann verlässt er einen für einen anderen Mann?«, wagte sich Laurie vor.
»Woher wissen Sie …?« Diana blinzelte ihr beschwipst zu und wackelte mit dem Zeigefinger.
»Nur so eine Ahnung«, log Laurie.
»Ich meine: Warum habe ich das nicht früher bemerkt?« Diana hob Alfie auf ihren Schoß und streichelte seine fledermausartigen Ohren.
»Vielleicht hat er es selbst lange Zeit nicht gewusst«, erwiderte Laurie. »Jedenfalls haben Sie jetzt Zeit, sich um schönere Dinge zu kümmern.«
»Da haben Sie recht«, nickte Diana und streichelte Alfies Kopf so sehr, dass seine Glotzaugen noch weiter hervortraten. »Seit Richards Weggang ist das Unternehmen immer erfolgreicher geworden. In dieser Hinsicht hat er mir also einen Gefallen getan.«
»Auf welche Innenräume haben Sie sich spezialisiert?«, fragte Laurie.
»Oh, ich kümmere mich um alles – Cottages, Windmühlen, Scheunen … Ich mache das zwar schon seit Jahren, doch nachdem ich die Werbung nun ein bisschen verstärkt habe, zieht das Geschäft endlich richtig an. Aiden und ich haben bei ein paar Scheunenumbauten zusammengearbeitet. Ich habe Rachel schon ein paar Mal gebeten, doch miteinzusteigen.«
»Ach?«, stieß Laurie überrascht aus. Sie hatte immer angenommen, Rachel sei damit zufrieden, Hausfrau und Vollzeitmutti zu sein.
»Ja, sie hat wirklich Talent. Wie sie die Kinderzimmer dekoriert hat – das waren alles ihre eigenen Ideen.« Laurie musste lächeln, als sie an das Piratenschiff in Zaks Zimmer dachte. »Ich wäre froh, wenn ich das könnte. Ich würde sie sogar dafür bezahlen, mir das beizubringen. Sie können die Grundlagen erlernen, Talent aber nicht – und das ist es, was Rachel hat. Jedenfalls bitte ich Sie, sie ein bisschen zu bearbeiten, ja? Rachel findet nämlich immer wieder Entschuldigungen und Ausreden.«
»Ich werde zusehen, was sich machen lässt«, entgegnete Laurie und nahm sich fest vor, das Thema anzusprechen, wenn sie das nächste Mal mit Rachel telefonierte. Schon früher war Rachel immer die Letzte gewesen, die ihre Talente erkannt hatte.
»Und in der Zwischenzeit«, erklärte Laurie und stand auf, »essen wir jetzt schon mal den Nachtisch.« Diana nickte zustimmend, während Laurie eine Dose Karamell-Pecannuss-Eis aus dem Tiefkühlschrank holte. Schnell räumte sie die Essteller weg, bevor sie mit dem Eis und jeweils zwei Schüsseln und Löffeln zum Tisch zurückkehrte.
»Dieser Typ heute«, fing Laurie lässig an und versuchte gleichzeitig, einen Löffel in das steinhart gefrorene Eis zu rammen. »Patrick. Sind Sie … ähm …«
»Ob ich an ihm interessiert bin?«, fuhr Diana fort. »Nun, ich will nicht bestreiten, dass er attraktiv ist …« Eine leichte Schamesröte stieg ihr ins Gesicht. »Aber er ist doch ein bisschen zu jung für mich. Ich weiß zwar, dass ich noch gut in Schuss bin«, sie bauschte spielerisch ihr Haar auf und lächelte, »aber ich mache mir da keine Illusionen. Ich bin sechsundvierzig.« Sie zuckte mit den Schultern. »Patrick ist eine Augenweide, das ist alles.« Diana beugte sich verschwörerisch vor. »Obwohl ich mich natürlich ein bisschen erkundigt habe, wie ich gestehen muss«, flüsterte sie. »Und wie ich gehört habe, ist er zufälligerweise Single. Der Weg ist also frei.«
»Oh, nein.« Laurie schüttelte den Kopf. »Ich habe nicht meinetwegen gefragt.« Doch Skipley war mit einem Mal einen Hauch interessanter geworden, wie sie fand.
»Es geht mich zwar nichts an«, erklärte Laurie und musterte kritisch Dianas weit geschnittenes Outfit. »Aber haben Sie in letzter Zeit Gewicht verloren?«
»Oh ja, ein bisschen. Das war die Scheidungsdiät, nachdem Richard mich verlassen hat«, erwiderte Diana. Sie schaute an sich herunter, bevor sie mit einem Schulterzucken wieder aufsah.
Als Diana Laurie dabei half, den Geschirrspüler einzuräumen, bemerkte Laurie erst, wie sehr die weiße Bluse und die marinefarbene Stoffhose an Diana schlotterten.
Laurie trat einen Schritt zurück und neigte den Kopf zur Seite. »Mir fällt eben nur auf, dass Ihre Kleider viel zu groß für Sie sind. Kommen Sie mal mit.« Laurie legte das Besteck beiseite, das sie
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