Ein Kuss unter dem Mistelzweig
in den Händen hielt, und führte Diana zu dem großen Spiegel im Flur. »Schauen Sie doch mal.« Laurie zog den Stoff so weit zurück, dass er Dianas Figur enger umspielte. Sie spähte über Dianas Schulter, damit sie beide den Unterschied sehen konnten.
»Oh Gott, Sie wollen so eine Vorher-Nachher-Show daraus machen?«, lachte Diana.
»Vielleicht«, erwiderte Laurie. »Aber mal im Ernst, Diana: Schauen Sie sich mal den ganzen überflüssigen Stoff hier an. Lassen Sie mich die Sachen enger nähen. Ich bin sicher, ich habe oben in Millys Zimmer eine Nähmaschine gesehen.«
Diana musterte sie argwöhnisch, aber als sie sah, dass Laurie ein Nein nicht akzeptieren würde, gab sie nach. »Okay«, erwiderte sie lächelnd. »Machen Sie, was Sie wollen.«
»Haben Sie drüben noch mehr Kleidungsstücke, die zu groß sind?«, fragte Laurie.
»Ah«, seufzte Diana. »Sind Sie sicher, dass Sie dieser Herausforderung gewachsen sind?«
K apitel 16
Donnerstag, 7. Dezember
»Fionn war keine Löwin wie die anderen«, las Milly laut aus einem Buch vor. »Von dem Augenblick an, als sie sich von ihrem Rudel trennte und sie sich mir über die Savanne von Masai Mara näherte, spürte ich eine Verbindung – die Löwin war nicht aggressiv, sondern schien mir zu vertrauen. Instinktiv habe auch ich ihr vertraut. Mir war klar, dass mein Leben dabei auf dem Spiel stand, allein nur dadurch, dass ich dort stand. Doch als Fionn zärtlich meine Hand mit ihrem Kopf anstupste, war ich sicher, dass wir beste Freunde werden würden.«
Rachel schaute zu Bea hinüber, die reglos in ihrem Krankenhausbett lag. Man hätte denken können, dass sie nur schlief. Wie immer hatte sie ihr goldenes Medaillon um den Hals, das Foto ihres verstorbenen Ehemanns David nah am Herzen. Jedes Mal, wenn sie atmete, hob sich das Medaillon und sank dann wieder.
Doch seit der Operation gestern war Bea nicht mehr aufgewacht. Aiden saß auf einem Stuhl neben ihr und hielt ihre Hand. Dr. Patel hatte ihnen gesagt, dass es helfen könnte, wenn sie mit Bea redeten, weil sie wahrscheinlich ihre Stimmen hören konnte. Doch mehr hatte sie ihnen nicht sagen können. Es war unmöglich, eine Prognose abzugeben, ob und wann sich Beas Zustand verbessern würde.
»Meinst du wirklich, sie kann mich hören?«, fragte Milly und klappte das Buch zu.
»Da bin ich ganz sicher«, antwortete Rachel und legte den Arm um die Schultern ihrer Tochter. »Und das Buch war eine gute Wahl, Geschichten rund um Afrika hat sie immer besonders gemocht.«
Am Bett machte sich betretenes Schweigen breit. Sogar Zak war still und starrte mit traurigem Blick zu seiner Großmutter hinauf.
»Mum«, durchbrach Aiden schließlich die Stille. »Wir haben dir ein Radio gekauft. Ein kleines Digitalradio – du weißt doch, dass ich dir immer gesagt habe, du sollst dir eines anschaffen. Hier ist es.« Er bückte sich, hob es vom Boden auf und stellte es auf das Tischchen neben dem Bett. Dann stöpselte er es ein, ließ es aber ausgeschaltet. »Jetzt kannst du dir Radio 4 anhören; ich weiß doch, dass du um nichts in der Welt The Archers verpassen willst – nur, weil es dir gerade nicht so gut geht.«
Rachel hatte einen Kloß im Hals, als sie die Anspannung in Aidens Stimme bemerkte. Sie beugte sich vor, um seine Hand zu nehmen, doch er drehte sich weg.
»Wie wäre es, wenn wir alle in den Brockwell Park gehen und dort ein bisschen frische Luft schnappen?«, schlug Rachel Milly und Zak vor, nachdem sie nach Hause gekommen waren. »Vielleicht können wir uns dort ja mal den Spielplatz anschauen?«
»Ja!«, rief Zak mit leuchtenden Augen. Er stürzte hinaus in den Flur, um sich seine Turnschuhe wieder anzuziehen.
»Wie kann er so fröhlich sein, wo Granny doch so krank ist?«, fragte Milly.
»Er macht sich auch Sorgen. Das weißt du doch, Milly. Aber wir können doch nicht den ganzen Tag hier herumsitzen und uns Sorgen um Granny machen – das wäre ihr nicht recht. Wir gehen sie im Krankenhaus besuchen, sooft wir können, und während der restlichen Zeit weiß sie, dass wir an sie denken. Aber um ihretwillen müssen wir stark bleiben.«
Traurig zuckte Milly mit den Schultern.
»Komm schon, Milly«, rief Rachel, nahm ihren Teller weg und stellte ihn beiseite. »Jay hat gesagt, dass unten im Souterrain ein Mädchen in deinem Alter wohnt. Sie heißt Nikki. Was meinst du – sollen wir mal bei ihr klingeln?«
»Okay«, erwiderte Milly ein wenig widerwillig. »Können wir machen.«
»Ich gehe mal mit
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