Werktage Zeit, um Weihnachtsgeschenke zu kaufen«, verkündete der Radiomoderator fröhlich. »Wie gut vorbereitet sind Sie?« Rachel schenkte sich Kaffee in ihren Becher ein und ließ sich neben Zak nieder. »Damit Sie in Stimmung kommen, kommt jetzt ein Lied von Slade, ›Merry Christmas Everybody‹ …«
»Wann fahren wir nach Hause, Mummy?«, fragte Zak und schaufelte Krispies auf seinen Löffel. Rachel war klar gewesen, dass diese Frage irgendwann kommen würde, doch als er sie mit großen Augen anschaute, zerriss es ihr dennoch fast das Herz. »Bald ist Weihnachten, oder?«
Sie dachte daran, was sie wohl gerade tun würden, wenn sie jetzt in Skipley wären – sie hätten längst einen Weihnachtsbaum gekauft und würden ihn mit der ganzen Familie schmücken.
»Dir gefällt’s hier, oder?«, fragte Rachel, trank einen Schluck Kaffee und versuchte, die Stimmung aufzuhellen. »Auf dem Plan stehen auch immer noch die Dinosaurier, die wir uns ansehen wollen.«
»Mir gefällt’s ganz gut«, antwortete Zak. »Und ich glaube, ich will die Dinosaurier sehen. Aber wir haben keinen Weihnachtsbaum. Es fühlt sich nicht so wie Weihnachten an.«
»Ich weiß, Schatz«, erwiderte Rachel und strich ihm über den Arm. »Es tut mir leid. Ich weiß, dass im Augenblick alles anders ist. Wir werden nach Hause fahren, sobald es möglich ist, aber Granny Bea braucht uns jetzt hier.«
Es klopfte an der Haustür, und Rachel stand auf, um aufzumachen, doch bevor sie ging, gab sie noch Zak einen Kuss auf die Stirn.
Vor der Tür stand ein junger Bote auf dem Treppenabsatz und hielt mehrere silberne Heliumballons in der Hand.
»Ballons für Sie«, verkündete er lächelnd und hielt ihr ein Unterschriftenbrett unter die Nase.
»Oh nein«, rief sie und lachte überrascht. »Ich meine, natürlich kann ich unterschreiben, aber die sind nicht für mich – die müssen für meine Schwiegermutter sein.«
Sie unterschrieb und gab das Pad zurück. Der Bote nahm es entgegen und warf einen Blick auf sein Klemmbrett.
»›Für Milly‹, steht hier.«
»Milly?«
»Ja, das steht hier. Frohe Weihnachten!«, wünschte er und reichte ihr die Ballons, an denen ein silbernes Band befestigt war.
»Danke, Ihnen auch.«
Verwirrt brachte Rachel die Ballons zu ihrer Tochter ins Zimmer. Wieder musste sie an die Unterhaltung denken, die sie zwischen Milly und Nikki aufgeschnappt hatte. Da gab es »diesen Typ«, irgendjemanden in Millys Leben, von dem sie ihnen nichts erzählt hatte. Und das hier war der Beweis dafür. Mühsam versuchte Rachel, sich an irgendwelche Namen zu erinnern, die Milly erwähnt hatte, Jungs aus ihrer Schule, doch ihr fiel niemand ein, sosehr sie sich auch den Kopf zerbrach.
Völlig verschlafen öffnete Milly die Zimmertür. »Ballons«, stellte sie überrascht fest und musterte sie verwirrt.
»Die sind für dich«, erklärte Rachel und reichte sie ihr. Die Ballons flogen hoch und tanzten an der Decke. Zwischen den Bändern suchte Milly nach einer Karte. Endlich fand sie den Umschlag, öffnete ihn und überflog die Nachricht.
»Von wem sind die Ballons?«, fragte Rachel.
»Von niemandem«, entgegnete Milly.
»Von niemandem?«
»Was ist denn?«, blaffte Milly. »Warum musst du immer so neugierig sein?«
Rachel fühlte, wie Wut in ihr aufstieg, die sich mit Schmerz mischte. »Früher hast du mir alles erzählt, Milly«, erwiderte sie. »Ich weiß, du brauchst deine Freiräume, aber musst du mich denn von allem ausschließen?«
»Das geht dich gar nichts an!«, zischte Milly und knallte Rachel die Tür vor der Nase zu.
Milly, hat dir die Ballonüberraschung gefallen? LG C .
Ja, vielen Dank. LG M .
Von:
[email protected] An:
[email protected] Das war ja eine ziemlich kurze Antwort. Vielleicht sind E-Mails doch besser als SMS … Kommst du denn bald nach Hause? Ich würde dich gern an Heiligabend sehen.
Carter
Aiden stand unter der Dusche. Rachel ließ sich auf dem Bett nieder und zog den gefalteten Pyjama unter ihrem Kopfkissen hervor. Wie auf Autopilot, legte sie ihren Schmuck ab, zog sich aus, warf die Kleidung in den Wäschekorb und schlüpfte in ihren Pyjama. Danach streifte sie das Haarband ab, schüttelte das Haar, kämmte es kurz und massierte sich Nachtcreme ins Gesicht. Unentwegt musste sie daran denken, wie Milly mit ihr geredet hatte. Das tat immer noch weh. Hatte sie es womöglich übertrieben? Sollte sie Milly mehr Privatsphäre lassen? Ohne Aiden, mit dem sie sich darüber unterhalten konnte,