Ein Kuss unter dem Mistelzweig
paar Mal hatte sie zwar anderes vorgetäuscht, doch die Wahrheit war, dass One-Night-Stands wirklich nichts, aber so rein gar nichts für sie waren. Dieses triste Gefühl, am nächsten Tag nicht angerufen zu werden, jene Innigkeit, die im nächsten Moment komplett verschwunden war – das kannte sie schon und wollte so etwas nie wieder.
Sie kämmte ihren seidig glänzenden Bob und den Pony, bis ihr Haar perfekt gerade lag. Fast perfekt – aber irgendetwas fehlte noch. Laurie suchte Rachels Frisierkommode nach Schmuck ab; schließlich fand sie in einem kleinen Holzkästchen ein Paar lange, silberne Ohrringe in Tropfenform. Rachel würde es sicherlich nichts ausmachen, dachte sie, als sie sie in die Löcher in ihren Ohren hängte. In der Schule hatten sie einander immer alles Mögliche geliehen – es war, als hätte man zwei Kleiderschränke gehabt.
Danach trug sie dick flüssigen Eyeliner auf, anschließend zusätzlich auf die ohnehin schon dichten Wimpern nun noch eine Schicht Mascara. Sie trat einen Schritt zurück und musterte sich in dem bodenlangen Spiegel. Nicht schlecht. Sie lächelte.
Unten in der Küche stieß Laurie auf das Blech mit den Weihnachtsmännern aus Lebkuchen, die sie am Abend zuvor gebacken hatte. Da sie diese Woche ein paar freie Abende vor sich hatte, da sie ja nun länger als gedacht in Skipley blieb, hatte sie sich selbst vor die Herausforderung gestellt, jeden Tag ein Rezept aus Beas Buch zu kochen oder zu backen. Mit dem knisternden Feuer im Kamin und passender Weihnachtsmusik entpuppte sich das Backen als die perfekte Art und Weise, ihre Zeit hier zu verbringen, wie sie überrascht festgestellt hatte. Es war schon seltsam: Über die Jahre hinweg hatte sie sich eingeredet, andauernd neue Anreize zu benötigen – Partys, Arbeit, Reisen –, die sie glücklich machen würden. Doch das stimmte nicht. Allein zu Hause, friedlich und still, mit genügend Zeit, um die Dinge zu tun, die sie gern tat; so fühlte sie sich entspannt und zufrieden.
Die Küche hatte sich innerhalb kürzester Zeit mit Sternen und Schokokränzen gefüllt, und sie hatte sogar einen Julscheit gebacken – und dabei nicht nur sich, sondern auch sämtliche Oberflächen in der Küche mit Schokolade überzogen. Wenn sie Schokolade aß, war sie am nächsten Tag immer mit Pickeln übersät, doch als sie die Schüssel ausgeleckt hatte, war ihr das vollkommen egal gewesen. Wofür gab es schließlich Abdeckstifte, sagte sie sich. Vorsichtig wickelte sie ein paar der Lebkuchen-Weihnachtsmänner in Frischhaltefolie ein und band eine rote Schleife darum, um sie zusammen mit einer Flasche Baileys zu Diana mitzunehmen.
Die erste Feier in dieser Jahreszeit, dachte Laurie; ich bin so weit.
Kerzen in Einmachgläsern säumten den Weg hinauf zu Dianas Haustür, und den Weihnachtskranz, der an der Tür hing, schmückte nun eine filigrane rote Lichterkette.
Als Laurie in ihren High Heels den Weg hinaufstakste, riss Diana auch schon die Tür auf. »Hallo!«, rief sie Laurie entgegen und hielt ihr ein Glas Champagner hin, um sie zu begrüßen. Dankbar nahm Laurie es entgegen und gab Diana einen Begrüßungskuss auf die Wange.
Als Laurie das Haus betrat, schlug ihr als Erstes jener warme, eindeutig weihnachtliche Duft von Zimt und Kiefernzweigen entgegen. Als sie den Blick schweifen ließ, sog sie vor Bewunderung hörbar die Luft ein. Am Treppengeländer hing eine Ilexgirlande, um die, wie schon draußen beim Türkranz, eine rote Lichterkette gewunden war. Goldener Stoff rahmte den Kamin, und dekorative Zweige, die mit noch mehr Lichterketten geschmückt waren, standen überall im Wohnzimmer und im Flur in Gefäßen verteilt. Dianas Zuhause sah einfach überwältigend aus.
Tabletts mit Würstchen im Speckmantel, Mini-Yorkshirepuddings mit Beef und Meerrettich, kleine Pfannkuchen mit geräuchertem Lachs und Frischkäse standen aufgereiht auf dem Tisch im Wohnzimmer. Dort angekommen, entdeckte Laurie in der entgegengesetzten Ecke Joyce und steuerte auf sie zu. Joyce trug das Oberteil, das Laurie für sie maßgeschneidert hatte. Nur das Stirnband aus Lametta minderte die Eleganz des Outfits ein wenig. Laurie lächelte und deutete auf das Oberteil. »Steht Ihnen«, begrüßte sie Joyce.
»Besonders gut gefällt mir die Schleife, die Sie aufgenäht haben«, lobte Joyce, schaute an sich herunter und zog an der Schleife. »Damit fühle ich mich wie eine Prinzessin.«
»Eine beeindruckende Menge Essen«, erklärte Laurie und
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