Ein Kuss von dir
so nah sie einander auch waren, schien irgendwie unpassend, also beugte sie sich über die Stickerei, um Madelines Blicken zu entgehen. »Remington ist mit mir zu einem Cottage an der Küste gefahren. Es war ganz bezaubernd und ruhig. Im Inn gab es wunderbares Essen, und wir hatten sehr viel Spaß.« Sie spürte, wie ihr Gesicht warm wurde, während sie sprach.
»Oh, du meine Güte.« Madeline war bestürzt. »Er ist wütend auf dich.«
Eleanor spähte zu ihr auf. »Ja, denn er wollte unbedingt dich heiraten, meine liebe Duchess, und er war über mein Täuschungsmanöver mit Recht erbost.«
»Du bist viel besser, als er es verdient hat«, sagte Madeline ärgerlich. »Und wenn er das nicht weiß, ist er ein Dummkopf. Behandelt er dich schlecht?«
»Du meinst, ob er mich schlägt? Nein. Ich denke, er könnte es nicht ertragen, die Hand gegen eine Frau zu erheben.« Die Erinnerung an den Tod seiner Schwester verfolgte ihn.
»Es gibt andere Wege, seine Ehefrau schlecht zu behandeln.« Madeline fragte mit gesenkter Stimme: »Ist er … im Bett gemein zu dir?«
Eleanor wusste kaum zu antworten. Sie erinnerte sich an letzte Woche. Die Spaziergänge am Strand; der hungrige Blick, mit dem er sie ansah; wie er sie mit der Hand gefüttert hatte; die Stunden, die sie im Bett zugebracht und gegenseitig ihre Körper erforscht hatten. Sie hätte beinahe gelacht. Sie hätte beinahe geweint. Nach mehreren Versuchen sah sie Madeline in die Augen und sagte: »Falls es einem Mann möglich sein sollte, eine Frau zu töten, indem er ihr Vergnügen bereitet, dann ist das sein Plan, vermute ich.«
Madeline starrte Eleanor an, die blauen Augen weit und schockiert. Dann machte sich Stück für Stück die Belustigung breit, und sie sprudelte vor Gelächter.
Eleanor sprudelte mit, verlegen und ein wenig stolz. »Ich gebe es ihm ordentlich zurück. Ich mache alles, was die Konkubinen uns gelehrt haben, und ich habe mir sogar schon selber Sachen ausgedacht.«
Madeline sank in das Sofa zurück und lachte perlend, ein Klang, der zum Schönsten zählte, was Eleanor seit langem gehört hatte. »Dann kann ich ja damit aufhören, mir darüber Sorgen zu machen.« Sie wischte sich mit einer Serviette die Augen und fragte: »Wann lerne ich deinen Ehemann kennen?«
»Heute Abend? Wir essen zu Hause. Er sagt, ich sei von der Reise erschöpft, auch wenn ich mich nie besser gefühlt habe.«
Madeline fing wieder zu kichern an. »Du bist eine echte Inspiration, Cousine. Du begibst dich auf einer Mission, die du verabscheust, nach London, und kaum dass zwei Wochen vergangen sind, bist du mit einem vermögenden Mann verheiratet und bringst ihm bei, dich zu lieben.«
Eleanors Lächeln schwand. »Ich fürchte, Letzteres entspricht nicht der Wahrheit, aber ich habe Hoffnung, dass er mich eines Tages wenigstens wieder toleriert.«
Mit der neunmalklugen Weisheit der frisch Verheirateten fragte Madeline: »Weil du ihn nämlich liebst, nicht wahr?«
»Und wie, Madeline. Ich liebe ihn mehr, als ich je eine Seele geliebt habe, und auch wenn er das nie erfahren wird, bin ich doch glücklich.« Und weil sie eine grundehrliche Natur war, setzte Eleanor noch hinzu: »Ich meine, ich bin beinahe glücklich.«
Remington saß allein in seinem Club, hatte ein Glas Whisky in der Hand, und Eleanors Bedenken nagten an ihm. Sie war so sicher, dass es nicht der Duke of Magnus war, der seine Familie auf dem Gewissen hatte.
War Remington möglicherweise ein Fehler unterlaufen?
Aber nein, es waren Magnus’ Männer gewesen, die das Unternehmen seines Vaters ausspioniert hatten, und daraus hatten schließlich das Feuer und die Todesfälle resultiert. Erdrückende Indizien.
Aber Remington selbst waren Zweifel gekommen, als er Magnus kennen gelernt hatte, Zweifel, die Eleanor nun neu belebt hatte. Magnus war entweder ein brillanter Schauspieler … oder der falsche Mann. Und wenn er der falsche Mann war, dann hatte ein anderer Lady Pricilla umgebracht. Wer hätte das sein können? Lord Shapster? Lord Fanthorpe? Der alte Duke of Magnus?
Oder – Gott behüte – ein Fremder, der nur zum Vergnügen getötet hatte.
Aber nein. Es war unwahrscheinlich, dass Pricilla vorhatte, mit seinem Vater durchzubrennen, und ausgerechnet an jenem Abend umgebracht wurde.
Schlimmer, Remington musste sich fragen, ob ihm Zweifel gekommen waren, weil Eleanor seine Entschlusskraft schwächte. Es war einfacher, mit ihr im Bett zu lümmeln, als aufzustehen und an dem Mann, der seine Familie
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