Ein Kuss von dir
auf dem Gewissen hatte, Rache zu nehmen.
Die anderen Männer im großen Salon saßen beim Kartenspiel oder lehnten in riesigen Ledersesseln und plauderten über Politik und Gesellschaft. Um Remington, der es sich am Fenster bequem gemacht hatte, und seine bedrohliche Aura machten sie einen Bogen.
Doch einer der Männer blieb stehen und sah ihn an.
Remington ignorierte ihn angelegentlich, doch der Fremde wollte den Wink nicht verstehen. Also schaute Remington auf und sah einen Mann, der etwa sein Alter und seine Statur hatte. Er trug einen Arm in der Schlinge und hatte den mitgenommenen Gesichtsausdruck des Rekonvaleszenten. Remingtons Bedürfnis nach Ruhe war ihm offenkundig gleichgültig, und Remington hatte den Mann schon einmal getroffen – Gabriel Ansell, den Earl of Campion.
Also begrüßte er ihn mit knappem Nicken. »Campion.«
»Knight.« Gabriel wies auf den Sessel gegenüber. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich Ihnen Gesellschaft leistete?«
»Eigentlich -«
»Soweit ich gehört habe, sind wir beide jetzt verschwägert.«
Nichts hätte Remington in größeres Erstaunen versetzen können. »Sie haben die Duchess geheiratet?«
»Da Sie Madeline zwar gewonnen, aber nicht sofort geholt haben, habe ich beschlossen, die Sache zu meinen Gunsten zu regeln.«
Also war Madeline schon längst nicht mehr ledig. Remington hätte sie ohnehin nicht heiraten können, und er verspürte eine enorme, ungeahnte Erleichterung, als ihm klar wurde, dass sein Plan niemals Früchte getragen hätte. Er bemerkte Gabriels Blässe und sagte: »Setzen Sie sich, bevor Sie noch umfallen.«
»Danke.« Gabriel ließ sich in den Sessel fallen, gab einem der Lakaien ein Zeichen und bestellte einen Brandy. »Madeline ist gerade von ihrem Besuch bei Eleanor zurückgekehrt. Wir sollen heute Abend bei Ihnen zu Hause speisen.«
»Das freut mich.«
»Tut es nicht. Sie wünschen mich zur Hölle. Aber das vergessen Sie besser. Wir können uns genauso gut dazu entschließen, die besten Freunde zu werden, unsere Frauen sind es längst – und nichts wird die beiden je trennen können.«
Remington entspannte sich bei Gabriels unverblümten Worten grinsend. »Wahrere Worte wurden nie gesprochen, und ich vermute, einen guten Mann, wie Sie einer sind, zum Freund zu haben, schadet nie.«
Gabriel verbeugte sich im Sitzen. »Danke. Aber dass unsere Frauen einander so nahe stehen, hat auch seine Nachteile. Madeline hat mich nämlich losgeschickt, Sie zu suchen und mit Ihnen zu sprechen.« Er nahm seinen Drink entgegen. »Sie macht sich Sorgen um Eleanor. Eleanor scheint ihr nicht ganz glücklich zu sein.«
Remingtons reizbares Temperament schlug durch. »Nicht ganz glücklich? Hat sie Madeline das gesagt?«
Gabriel schnaubte. » Kennen Sie Eleanor denn überhaupt? Ich habe die Frau nie eine Klage äußern hören! Natürlich hat sie kein Wort zu Madeline gesagt. Soweit ich verstanden habe, hat Madeline das aus einer Art Zucken um den Mund geschlossen oder irgend so einem vertrackten weiblichen Signal.«
Die beiden Männer sahen einander verständnisvoll an. Sie würden den Rest ihres Lebens kein Geheimnis mehr für sich behalten können.
»Eleanor hat eine Lachnummer aus mir gemacht«, sagte Remington.
»Als wir verlobt waren, hat Madeline mit mir das Gleiche gemacht.« Gabriel nahm einen Schluck und ließ den Kopf an die Rückenlehne sinken. »Während sie außer Landes war, habe ich einiges feststellen müssen. Die Leute, die einen auslachen, sind entweder deine Freunde oder deine Feinde. Den Freunden gibt man einen Klaps, und was die Feinde angeht, kann man froh sein zu wissen, um wen es sich handelt.«
Remington dachte nach. Es stimmte. Seit der Hochzeit hatten die Männer aus seinem Bekanntenkreis – die Männer, mit denen er Karten spielte, trank oder Geschäfte machte – lang und laut über seine Dummheit gelacht und ihn wegen seiner überstürzten Eheschließung mit der falschen Frau aufgezogen. Aber hinter dem Gelächter steckte keine Boshaftigkeit.
Die Männer, die ihn hassten, weil er zu gut aussah, zu viel Geld hatte oder sie beim Kartenspiel ausgetrickst hatte, grinsten hochmütig und machten halblaute Bemerkungen. Diese Männer hatte er sich gemerkt.
Aber es gab da einen Gentleman … Remington war im Club auf ihn getroffen. Der Mann war stehen geblieben, hatte mit langem, dünnem Finger auf ihn gezeigt und ihn angestarrt. Sein kurzes, schroffes Lachen hatte sich triumphierend angehört. Aber warum? Remington
Weitere Kostenlose Bücher