Ein Kuss von dir
gefürchtet.« Madeline nahm Eleanors Hand und drückte sie fest. »Nein, liebe Cousine, ich erinnere mich genau an die Gelassenheit, mit der du dich auf unseren Reisen allen Gefahren gestellt hast. Und ich weigere mich anzuhören, wie du dich einen Angsthasen schimpfst. Du hast Widerstände überwunden, die die meisten Menschen zermalmt hätten. Du bist die tapferste Frau, die ich kenne, und ich bin unglaublich stolz auf dich.«
Eleanor wusste nicht, was sie sagen sollte. So hatte sie ihr Leben noch nie betrachtet.
Bridgeport brachte den Tee, während Eleanor grübelte. Aus alter Gewohnheit schenkte sie den Tee ein, und Madeline suchte für sie beide Biskuits und Kuchen aus.
Madeline schaute sich um. »Ist er da?«
»Remington? Nein, er muss sich um seine Angelegenheiten kümmern, nachdem wir so lange fort waren.« Eleanor nagte an einem Zitronentörtchen. »Er ist im Handelsgeschäft tätig, weißt du.«
»Wir werden den Snobs nichts davon erzählen, nicht wahr? Bei deinem nächsten gesellschaftlichen Auftritt, wenn du mit deiner Schönheit und deiner Liebenswürdigkeit alle Herzen im Sturm eroberst, soll nichts deinen Triumph beeinträchtigen.« Madeline nippte an ihrem Tee. »Seit wir in der Stadt zurück sind, haben wir von nichts anderem reden hören. Wie entzückend du bist und wie sehr dich alle mögen. Das hat mir jeder erzählt und mich dann angesehen, wie um zu sagen: ›Warum können Sie nicht ein wenig wie Ihre Cousine sein?‹«
Eleanor kicherte. »Madeline, du hänselst mich.«
»Unglücklicherweise nicht, und es war eine ernüchternde Erfahrung. Aber denk dir nichts deswegen.« Madeline wollte nicht weiter über die Ansichten der feinen Gesellschaft reden. »Und jetzt erzähle, was dir alles widerfahren ist.«
»Nein! Du zuerst. Wo warst du?« Eleanor lehnte sich zurück und begutachtete Madeline. Sie konnte nichts Auffälliges erkennen. Madeline sah gesund aus, hatte rosige Wangen und ein Lächeln, das nicht verschwinden wollte. »Du hast gesagt, du würdest in ein paar Tagen nach London kommen. Warst du verletzt?«
»Mein Ehemann ist angeschossen worden.«
Eleanor erstarrte.
»Oh, ich habe ganz vergessen , dir das zu sagen.« Madeline kicherte und amüsierte sich offensichtlich über Eleanors Glupschaugen. »Gabriel und ich haben geheiratet.«
»Geheiratet? Geheiratet? Gabriel ?« Eleanor brachte kaum ein Stammeln zuwege. »Der Earl of Campion? Dein ehemaliger Verlobter?«
»Ja, genau der.«
»Er war auf Rumbelows Kartenturnier?«
Madeline runzelte die Stirn.
»Aber mein Vater nicht.«
Erfreut, in wenigstens einer Sache über Herrschaftswissen zu verfügen, sagte Eleanor: »Was das angeht, kann ich dich nochmals beruhigen, er war nämlich am Tag meiner Hochzeit hier. Er hatte davon gehört – gehört, dass du Mr. Knight heiraten würdest – und wollte dir zur Hilfe eilen.«
»Ach, Gott schütze den alten Trottel.« Madeline sah nachdenklich aus. »Ich hätte nie gedacht, dass ihn das so berührt.«
»Ich muss zugeben, ich war ebenfalls erstaunt. Aber, was soll’s? Du musst mir sämtliche Einzelheiten über Gabriel erzählen. Er ist angeschossen worden? Aber offenbar geht es ihm gut, sonst könntest du nicht so blendend aussehen.«
»Rumbelows Kartenturnier war ein Komplott, und Gabriel wäre, weil er mich beschützen wollte, fast getötet worden.« Madelines Augen füllten sich mit Tränen; Eleanors selbstsichere Cousine fing zu zittern an. »Deshalb sind wir nicht sofort gekommen, als wir deinen Brief erhalten haben. Er war verwundet, und selbst wenn ich mich durchgerungen hätte, ihn allein zu lassen, sind doch bei diesem schrecklichen Sturm alle Straßen überflutet worden.«
»Du musst mir alles erzählen.«
Madeline setzte sich kerzengerade auf. »Erst musst du mir sagen – bist du glücklich? Wir sind, so schnell wir konnten, nach London gekommen, Gabriel hätte noch gar nicht reisen dürfen, nur um festzustellen, dass du in den Flitterwochen bist.«
Eleanor stellte ihren Teller ab und nahm die liegen gebliebene Stickerei zur Hand. Sie starrte das Muster und die mit einem Goldfaden befädelte Nadel an. Seit sie den Stickrahmen das letzte Mal angerührt hatte, war sie mit einem Mann im Bett gewesen, ihrem Ehemann. Manchmal war er ihr so vertraut, manchmal völlig fremd. Wenn sie am Morgen erwachte, wusste sie nie, wen sie antreffen würde, den fürsorglichen Gatten, den distanzierten Fremden oder den leidenschaftlichen Liebhaber.
Aber das mit Madeline zu besprechen,
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