Ein Kuss zum Dessert (German Edition)
essen finden und gleichzeitig feststellen, wie gut die Vorratshaltung war.
Über Letzteres konnte sie sich nicht beklagen, stellte sie fest. Max besaß doch eine Reihe ausgezeichneter Eigenschaften. Schade, dass Aufgeschlossenheit nicht dazugehörte. Einen Schrank nach dem anderen öffnete sie, doch sie fand nicht, wonach sie suchte.
„Miss Lyn don?“
Beim Klang von Max’ Stimme schloss June langsam den Schrank. Sie brauchte sich erst gar nicht umzudrehen, um seinen höflichen Gesichtsausdruck und den ablehnenden Zug um seinen Mund zu sehen. Irgendwann werde ich ihn mir einmal vornehmen müssen, dachte sie, doch im Augenblick war sie zu müde und außerdem hungrig.
„Vielleicht kann ich Ihnen helfen, wenn Sie mir sagen, was Sie suchen.“
„Eigentlich wollte ich mir unsere Vorräte ansehen, gleichzeitig habe ich aber auch nach einem Glas Erdnussbutter gesucht.“ Sie schloss die Schranktür und öffnete die nächste. „Ich sehe, die Vorratshaltung ist ausgezeichnet organisiert.“
„Meine ganze Küche ist ausgezeichnet organisiert“, erklärte Max steif. „Sogar mit all dieser … Umbauarbeit.“
„Der Umbau ist fast fertig, die neuen Herde arbeiten sicher sehr gut.“
„Es gibt Menschen, für die ist das Neue immer besser.“
„Es gibt Menschen“, gab sie zurück, „für die ist der Fortschritt das Todesurteil. Wo finde ich die Erdnussbutter, Max?“
„Unten. So etwas haben wir für Kindermenüs immer zur Hand.“
„Gut.“ June bückte sich und fand die Erdnussbutter. „Möchten Sie auch ein Brot?“
„Nein, danke. Ich muss arbeiten.“
June nahm sich zwei Scheiben Brot und strich die Erdnussbutter darauf. „Morgen um neun möchte ich mit Ihnen den neuen Speiseplan in meinem Büro besprechen.“
„Um neun habe ich immer sehr viel zu tun.“
„Nein“, korrigierte sie ihn. „Von sieben bis neun haben Sie viel zu tun, dann lässt es ein wenig nach, vor allem mitten in der Woche, bis zum Mittagessen. Um neun Uhr also“, wiederholte sie. „Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich brauche noch Gelee für meine Brote.“
Sie ließ Max einfach stehen. Dieser aufgeblasene, engstirnige Kerl, dachte sie, während sie ein Glas Gelee aus einem der großen Eisschränke nahm. Solange er so steif und kompromisslos war, würde die Zusammenarbeit schwierig sein. Mehr als einmal hatte sie bis jetzt schon erwartet, dass er kündigen würde – und auch wenn sie das nicht gern zugab, es hatte Zeiten gegeben, da hatte sie es sich gewünscht.
Die Veränderungen in der Küche zeigen bereits ihre Wirkung, dachte June, als sie in ihr Brot biss. Es war nicht schwer, festzustellen, dass die neuen Herde und die bessere Ausrüstung den Ablauf der Zubereitung einfacher machten und auch die Qualität der Speisen dadurch verbessert wurde. Noch einmal biss siein ihr Brot, als sie hinter sich aufgeregte Stimmen hörte.
„Max wird wütend sein. Wüüüütend!“
„Aber er kann nichts daran ändern.“
Vielleicht war es der unterschwellige Triumph in diesen letzten Worten, der sie aufhorchen ließ. Als sie sich umwandte, sah sie zwei Köche, die die Köpfe zusammensteckten. „Worüber wird Max wütend sein?“, fragte sie.
Die beiden Gesichter wandten sich ihr zu. „Vielleicht sollten Sie es ihm sagen, Miss Lyndon“, meinte einer von ihnen nach kurzem Nachdenken. „Julio und Georgia sind zusammen weggelaufen, wir haben es gerade von Julios Bruder gehört. Sie sind nach Hawaii.“
Julio und Georgia? Waren das nicht zwei Köche, die in der Schicht von vier bis elf arbeiteten? Ein Blick auf die Uhr sagte June, dass die beiden schon eine Viertelstunde zu spät waren.
„Dann werden sie heute sicher nicht kommen.“
„Sie sind abgehauen.“ Einer der beiden Köche schnippte mit den Fingern. „Einfach so.“ Er blickte zu Max hinüber. „Max wird an die Decke gehen.“
„Das wird das Problem auch nicht lösen“, murmelte June. „Also fehlen in dieser Schicht zwei Leute.“
„Drei“, berichtigte der andere Koch sie. „Charlie hat angerufen und sich krankgemeldet.“
„Wunderbar!“ June aß den letzten Rest ihres Brotes, dann krempelte sie ihre Ärmel auf. „Der Rest der Schicht macht sich dann besser an die Arbeit.“
Über ihre Jeans und den Pullover zog sie eine Schürze und nahm dann einen Platz in der Reihe der anderen Köche ein. Es wird Zeit, dass die Lautsprecher eingebaut werden, dachte sie, als sie die große Schüssel mit Kuchenteig anrührte. Einmal konntesie in einem Notfall ohne
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