Ein Land, das Himmel heißt
Der beste Platz, weil es an der höchsten Stelle liegt und weiter oben unser Land an seines grenzt. Da kann er nämlich wunderbar seine Rinder auf unser Land treiben, um sie dort grasen zu lassen. Er tut es immer, obwohl er weiß, dass er es nicht darf«, sie lachte kopfschüttelnd, »und wenn man ihn deswegen zur Rede stellt, ist er empört. ›Meine Rinder sind hungrig‹, lamentiert er dann, ›ich habe kein Gras für sie, auf deinem Land wächst Gras, also muss ich sie dorthin treiben.‹ Dann faltet er die Hände über dem Bauch, sieht zum Himmel und meint, dass die Zulus das immer so gemacht haben.« Sie lachte. »Ist natürlich Humbug, die Zulus haben ein sehr klar ausgeprägtes Gefühl für das, was Dein und Mein ist, ganz besonders bei Rindern und Land. Er vergisst einfach, dass ich auch hier geboren bin und alle ihre Tricks kenne.«
Sie gingen ein paar Schritte den Sandweg entlang, der mitten durch das Dorf führte. In regelmäßigen, aber großen Abständen wurde er von hölzernen Masten flankiert, an denen das Stromkabel entlangführte, das Phillip Court für sie hatte ziehen lassen. Eine einzelne brennende Glühbirne schwankte im Wind, ihr trübes Licht flackerte über Grasdächer, fest gestampfte lehmrote Erde, die glänzenden Blätter des riesigen Mahagonibaumes und die Menschen, die sich auf dem Platz davor drängten. »Oh, mein Gott.« Jill sog scharf den Atem ein. »Sieh dir das an.«
Im Kreis von weit über hundert Schwarzen waren die Pferde von Len und seinen Leuten am Indaba-Baum angebunden. Quer über die Sättel hingen bäuchlings ihre Reiter, eingeschnürt wie Rollbraten, aus mehreren Wunden an Kopf und Oberkörper blutend. Thabiso stand abseits, Popis Zulus sprangen in die Luft, brüllten ein paar Worte, machten mehrere Sätze vorwärts auf die Gefangenen zu, schüttelten ihre Kampfstöcke und Schusswaffen. Zum Schluss gingen sie in die Knie, stießen ein lautes Zischen aus wie aus hundert Schlangenrachen. Das Geräusch fegte über die Lauscher hinweg. Jill bekam eine Gänsehaut.
»Ein Freudentanz, kann ich verstehen«, kommentierte Nils.
Sie schüttelte den Kopf. »Es ist kein Freudentanz, das ist ein Kriegstanz«, flüsterte sie, »hoffentlich können wir ungesehen verschwinden. Ich glaube, die haben vor, Len Pienaar und die beiden anderen abzuschlachten. Wir müssen doch die Polizei alarmieren, am besten die in Durban, hier auf dem Land hat es keinen Zweck, die sind doch alle miteinander verwandt. Die helfen womöglich noch nach.«
»Ihr gottverdammten Kaffern«, brüllte Len da und spuckte einen Zahn aus, »macht mich sofort los!« Sein Gesicht war dunkelrot, er schien kurz vor einem Schlaganfall zu stehen. Seine Jacke war zerrissen, der Armstumpf blutete aus mehreren Kratzwunden.
»Jetzt wird es gerade interessant«, protestierte der Reporter, er kritzelte im Schein der Glühbirne in seinem Notizbuch. Als er fertig war, holte er eine kompakte silberne Kamera hervor und schoss ein paar Blitzlichtfotos.
»Bist du verrückt«, fauchte sie, »hör sofort auf damit!«
Er fotografierte ruhig weiter. »Warum soll ich aufhören – als Reporter muss ich das aufnehmen. Das sind doch Nachrichten. Die Opfer nehmen Rache an ihren Folterern, weil die Polizei nicht hilft, oder so ähnlich.« Er hatte ziemlich laut gesprochen. Popi musste ihn gehört und auch die Fotoblitze gesehen haben, denn er drehte sich in ihre Richtung. Bevor sie sich zurückziehen konnten, stand er vor ihnen.
Mit Unbehagen bemerkte sie, dass das Weiße seiner Augen rot war, die Pupillen waren stecknadelkopfgroß. »Verdammt, der hat Dagga geraucht«, flüsterte sie Nils zu, versuchte ihn erneut, am Fotografieren zu hindern. Vergebens.
»Was ist das?«, fragte er ebenso leise.
»Getrocknete Cannabis-Blätter, rauchen die Zulus seit Urzeiten. Sie sehen es als ihr Recht an … wenn du nicht aufpasst, pflanzen sie es mitten in deine Blumenbeete oder Maisfelder … sie sind unberechenbar, wenn sie high sind …«
»Bist du gekommen, um dir dein Pfund Fleisch aus uSathane zu schneiden?«, flüsterte Popi, starrte sie mit diesen unheimlich glühenden Augen unverwandt an. »Eins für Tommy und eins für deine Mutter?«
Die Worte fielen wie Steine, trafen sie im Magen und prügelten ihr den Atem aus dem Leib. Sie musste sich an Nils’ Arm festhalten, bis sie wieder Luft bekam und die Sterne vor ihren Augen verblasst waren. »Was?«, krächzte sie, spürte, dass Nils seinen Arm um sie schlang und sie festhielt.
»Komm,
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