Ein Land, das Himmel heißt
das Schweigen. »Wie leben eure Arbeiter? Wie auf den anderen Farmen in Baracken?«, fragte er, wich einer riesigen Kröte aus, die mitten im Taschenlampenkegel im Weg saß.
»Oh nein. Ursprünglich hat der Begleiter Johann Steinachs, ein Zulu namens Sicelo, ein Stück Land von ihm bekommen. Später dann, als mehr Arbeiter für die Farm benötigt wurden, sind meine Vorfahren klug genug gewesen, zuzulassen, dass jeder Familienvater sein Umuzi, seine Hofstätte, bauen durfte, wie es Tradition der Zulus ist. Eine Hütte für die Ahnen, die für die Eltern, eine für die Söhne und eine für die Töchter«, zählte sie an den Fingern ab, »dazu eine Kochhütte und eine für die Vorräte. Neben die Hütten pflanzten sie Schattenbäume, hielten Ziegen und Hühner.«
»Haben deine Vorfahren ihr Land an ihre Arbeiter verschenkt?«
»Nein, ganz so sozial eingestellt waren sie nicht. Nur das Land, das Sicelo erhalten hat, gehört heute seinen Nachkommen, Ben Dlamini und seiner Familie. Den anderen Arbeitern haben die Steinachs nach und nach genug für eine kleine Landwirtschaft zur Verfügung gestellt, allerdings blieb es immer in unserem Besitz, bis ich ihnen ermöglicht habe, Grund zu erwerben und es mit ihrer Arbeit bei mir zu bezahlen. Ich nenne sie ›meine Zulus‹, sie fühlen sich zu Inqaba gehörig, reden immer von ›wir‹ und ›uns‹ und meinen uns alle, die Familien von Inqaba. Von den Arbeitern der umliegenden Farmen werden sie beneidet und als etwas Besonderes angesehen.«
»Kein moderner Management-Trainer hätte besser das Wir-Gefühl entwickeln können.« Hochachtung schwang in seiner Stimme.
Sie hielt ihre Augen fest auf den Weg geheftet, richtete die Taschenlampe immer unmittelbar vor sich. Jetzt blieb sie wie angewurzelt stehen, hielt ihn zurück. »Da!« Im Lichtkegel lag, säuberlich aufgerollt, den diamantförmigen Kopf auf die Windungen ihres Leibes gelegt, eine wunderschön gezeichnete Puffotter.
»Und nun?«, fragte er. Seinem Ton war deutlich anzuhören, dass er kein Freund von Schlangen war.
»Wir müssen sie verscheuchen, von allein verschwindet sie nicht, sie verlässt sich auf ihre Tarnung, und der Weg ist zu schmal.« Jill brach einen Stock von über einem Meter Länge. »Sicher ist sicher«, lächelte sie, schlug ihn vor der Schlange auf den Erdboden. Eine verwischte Bewegung, die Schlange ging in Angriffshaltung, und Nils machte einen Satz zurück. Sie lachte. »Sie tut dir nichts, du hast ihren magischen Kreis nicht verletzt, sie wird dich nicht verfolgen. Bleib einfach stehen.« Mit der Stockspitze stupste sie das Reptil. Die Puffotter fauchte mit eindrucksvoll aufgerissenem Rachen, entrollte sich und glitt in die Nacht. Vorsichtshalber trampelte Jill ein paar Mal kräftig auf den Boden, zog ihn dann weiter.
»Du kannst schießen, hast keine Angst vor Schlangen, kämpfst du auch mit Krokodilen?« Der Mond hatte sich hinter den Bäumen in den nachtblauen Himmel geschoben, ließ Nils’ Gesicht gespenstisch weiß leuchten.
»Natürlich«, kicherte sie, »die verspeise ich zum Frühstück.«
Seine Hände gerieten wieder auf Abwege, sein Mund wanderte ihren Hals hinunter. Es kitzelte, und sie gurrte zärtlich. Ihr Herz jagte, Hitze floss wie ein träger Strom durch ihre Adern. Sie bog den Kopf zurück. So standen sie allein unter dem funkelnden afrikanischen Sternenhimmel, der Busch wisperte, die Zikaden sangen, und die Welt drehte sich ohne sie.
Lange bevor sie die Hütten der Farmarbeiter sehen konnten, hörten sie es schon. Dumpfes Brummen, rauer Gesang, rhythmisches Klatschen, unterbrochen von hellem Trillern. »Sie singen mal wieder«, stellte Nils fest, »sie tun es überall, weißt du, in ganz Afrika. Immer, in allen Lebenslagen. Ganz erstaunlich.«
»Es ist Kommunikation, so verstehen sie sich auch ohne gemeinsame Sprache«, antwortete sie abwesend, lauschte dann angestrengt. »Da ist irgendetwas los, das ist nicht das übliche Singen und Tanzen nach der Arbeit, das klingt aggressiver. Wir müssen vorsichtig sein.« Nach der nächsten Biegung lag das Dorf im trügerischen Mondlicht auf dem sanft abfallenden Hang vor ihnen. Sie blieben am Eingang stehen. »Kannst du den riesigen Natal-Mahagonibaum da hinten sehen?« Der Baum hob sich schwarz gegen den tiefblauen Nachthimmel ab. »In seinem Schatten halten die Zulus ihre Indabas ab, ihre Besprechungen, feiern ihre Feste oder treffen sich einfach nur mit Nachbarn. Vor dem Baum liegt Ben Dlaminis Umzuzi, am Rand des Dorfes.
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