Ein Land, das Himmel heißt
des Umuzis ausgehend, etwas unterhalb der großen Hütte, stand die Hütte der ersten Frau des Häuptlings, links die der Ikhohlo, der Frau-linker-Hand, rechts vom Eingang schliefen die unverheirateten Söhne, links die unverheirateten Töchter. Vorratshütten, von Pfählen getragene halbrunde Hüttendächer, standen in der Nähe der Unterkünfte.
Nelly räusperte sich, und Jill wandte sich ihr zu. Der rote Hut warf einen Schatten über ihr Gesicht. Jill hoffte nur, dass Nelly die aus getrocknetem Gras gewobene Kopfbedeckung nicht wie üblich fest mit ihrem Haar verflochten hatte und dann so lange tragen würde, bis sie allmählich auf dem Kopf verrottete. Erst dann würde der Hut entfernt werden und das Haar wieder gewaschen, mit Kräutern gegen Ungeziefer behandelt und ein neuer Hut eingeflochten.
»Über dieses Land«, begann Nelly und beschrieb mit ihrem rechten Arm einen weiten Bogen, »hast du nicht zu bestimmen.« Nun blickte die Schwarze ihr gerade in die Augen.
Jill spürte ihre Kraft, sah die lange Reihe der starken Frauen der Zulus hinter ihr, König Shaka Zulus Mutter Nandi, die seine engste Beraterin war, seine Schwester und seine Tanten, die einige seiner militärischen Lager führten, die Frauen des Widerstands gegen die Apartheid und die vielen Namenlosen heute, die ohne ihre Männer, die in den großen Städten arbeiteten, ihre Kinder großzogen, Häuser bauten, das Land bestellten.
Nelly hielt noch immer ihren Blick fest. »Es ist unser Land, Jill, du selbst hast es so bestimmt. Wir haben ein Papier, das sagt, dass das Land uns gehört.« Wieder senkte sich eine lange Pause zwischen die beiden Frauen. Jill nahm widerwillig die Worte auf, fraß sie förmlich in sich hinein, verdaute sie, bis sie einsehen musste, dass Nelly im Recht war. Hochachtung packte sie vor Nelindiwe Dlamini, genannt Nelly, gleichzeitig spürte sie die ersten heißen Stiche von Scham.
»Wir sind arm«, fuhr die alte Zulu fort, musste husten, bekam kaum Luft danach, »wir sind alt. Das Stehen in der Küche ist beschwerlich für mich, ich werde nicht mehr lange für dich arbeiten können. Wenn der nächste Winter kommt, höre ich auf. Jonas, unser Enkel, ist weit weg in eGoli, in Johannesburg, er wird nicht da sein, um uns zu helfen. Mit diesem Dorf werden wir genug Geld verdienen, um jemanden zu bezahlen, der uns hilft, die Felder zu bestellen. Wir werden in Ruhe zu unseren Ahnen gehen.« Zwei große Tränen rollten ihr übers Gesicht.
Das Blut stieg Jill in die Wangen, ihre Kehle wurde eng, sie konnte Nellys traurigem Blick nicht begegnen, sah nur die alte Frau, die Afrika ein Leben abgetrotzt hatte, die ihr, der Weißen, die sie großgezogen hatte, Kraft und Liebe gab, wenn sie verzagte. »Ich war im Irrtum, Nelly, verzeih mir bitte«, flüsterte sie, nahm sich vor, auf irgendeine Art zu versuchen, alles wieder gutzumachen, was Nelly je an Demütigungen widerfahren war. Ihr Herz floss über vor Reue, einfach weil sie eine weiße Südafrikanerin war und sich schon dadurch versündigt hatte. Tränen nahmen ihr die Sicht, als sie Nelly stumm um Verzeihung bittend ansah.
Da huschte ein Lächeln über das schwarze Gesicht, die dunklen Augen blitzten auf, und erst da merkte Jill, dass sie mal wieder auf die schlaue alte Frau hereingefallen war. Die auf dem Bau geklauten Bretter fielen ihr ein, die Avocados, die von ihrem Baum stammten, die Ananas, die von ihren Feldern geerntet worden waren, und letztlich stammten wohl auch das Gras für die Dächer und das Holz für das Gerüst von ihrem Land. Sie schaute hinüber zu Bens Viehgatter. Es war leer. Nirgendwo auf Bens Grund konnte sie die braunen Rücken grasender Kühe noch die schwarzen Ziegen entdecken, die frische Blätter von Büschen knabberten. Der Rückschluss war eindeutig. Bens Vieh graste irgendwo auf Inqabas Land. Mal wieder.
Sie fuhr herum, Nellys und ihr Blick trafen sich, und dann lachte die alte Zulu aus vollem Halse, ohne zu husten, die schweren Brüste, ihre Schultern, der Hut auf ihrem Kopf, ihr ganzer Körper bebte vor Vergnügen. »Aii, Jilly«, rief sie und wischte sich die Lachtränen von den Wangen.
Jill fühlte sich vorgeführt, ausgetrickst, ausgelacht. Wütend suchte sie nach Worten. Sie stand da, starrte Nelly an, die in ihrem Königsstuhl hing und mit jeder Faser ihres Körpers sich ihrem Vergnügen hingab, und dann packte es sie auch. Sie lachte, bis sie kaum noch Luft bekam. Das Lachen schallte in die stille Abendluft, steckte die anderen Frauen
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