Ein Land, das Himmel heißt
»Nelly. Wunderbare Frau, die Geschichten, die sie erzählt, sind faszinierend. Ich habe einige mitgeschrieben, Rainer will sie seinen Schülern erzählen.«
»Wofür hat Nelly Geld verlangt?«, fiel Jill ihr ins Wort. Den Kragen werde ich ihr umdrehen, dachte sie wütend.
Erstaunt blickte Iris Krusen sie an. »Aber da steht doch ein Schild, das die Preise angibt. Vorn, am Eingang zum Dorf. Eine Hütte von außen, fünf Rand, von innen, fünfzehn Rand, tanzende Frauen, sechzig Rand. Darauf haben wir dann verzichtet, wir hatten schon hundert Rand für unsere Aufnahmen bezahlt. Ist ja nicht so viel, wenn man es umrechnet. Ein Rand ist ja nur knapp dreißig Pfennig, aber trotzdem, es läppert sich.«
Jill riss sich mühsam zusammen. »Ich glaube, Nelly hat da etwas missverstanden, ich werde zusehen, dass sie das Geld wieder herausrückt.« Aus ihr herauswringen würde sie es. Aber sie sagte nichts, stellte sich nur vor, was sie Nelly gleich erzählen würde.
»Ach, lassen Sie nur. Diese Nelly schien so kompetent, sie hatte alles organisiert«, Iris Krusen hob die Schultern, »und man möchte den Eingeborenen natürlich auch etwas Gutes zukommen lassen nach diesen Jahren der Unterdrückung, etwas für die Völkerverständigung tun … die armen Menschen … diese Schicksale. Außerdem haben wir irre viele Vögel gesehen«, plapperte Iris weiter, »auch ein paar sehr seltene. Rainer ist begeistert und hat schon die meisten abgehakt. Ich werde nachher zu Ihnen kommen, um gleich wieder für nächstes Jahr zu buchen.«
Danke, lieber Gott, dachte Jill. »Das zu hören macht mich glücklich«, sagte sie laut, »was werden Sie heute Abend machen?«
»Eigentlich wollten wir das Restaurant Ihrer Freundin ausprobieren, sie hat uns auf der Einweihung ihre Karte gegeben. Ist es zu empfehlen?«
Jill lachte. »Angelica ist meine beste Freundin, natürlich kann ich es nur empfehlen, abgesehen davon, ist ihr Koch genial. Ich kann Ihnen versprechen, dass Sie einen wunderbaren Tag mit einem wunderbaren Abend abschließen werden. Ich werde sie anrufen, damit Sie besonders verwöhnt werden.«
Iris Krusen lächelte geschmeichelt und verschwand in ihrem Bungalow. Jill setzte sich die Sonnenbrille auf, zog ihre Leinenschuhe an und machte sich auf den Weg ins Dorf. Sie ging leise, machte einen Umweg, damit niemand Nelly warnen konnte, und als sie dem Eingang näher kam, sah sie es, das Schild mit den Preisen.
Es war ziemlich groß, bestand aus ein paar Brettern, die, wie sie sofort sah, vom Bau der Gästebungalows stammten. Die Schrift war ungelenk, die Liste lang. Der erste Posten hieß »Frauen im Stammeskostüm, sie tanzen nicht«, der Preis war dreißig Rand. Der zweite Posten war »Frauen im Stammeskostüm, sie tanzen«, und hier erhöhte sich der Preis auf das Doppelte. Neben dem Schild war ein primitiver Stand aufgebaut, auf dem eine Pyramide gelber Ananas leuchtete, mehrere Stauden Bananen, grüne Mangos, die gerade zu reifen begannen, und ein paar Avocados. Sie nahm an, da nirgendwo im Dorf ein Avocadobaum stand, dass diese Früchte von einem ihrer Bäume stammten. Hinter dem Stand hockten zwei Mädchen, barbusig, mit buntem Perlenschmuck an Hals und Beinen und einem Röckchen aus Perl- und Wollschnüren. Die beiden Mädchen waren entzückend, noch sehr jung. Ihre Haut war glatt und goldbraun, ihre Gesichter waren herzförmig, die Lippen voll und wunderschön geschwunden. Verlegen kicherten sie hinter vorgehaltenen Händen, schlugen ihre seelenvollen dunklen Augen zu ihr auf, ließen die Lider flattern wie Schmetterlingsflügel. Sie grüßte und ging vorbei, hatte nicht das Herz, mit ihnen zu schimpfen. Außerdem waren mit Sicherheit nicht sie verantwortlich.
»Nelly«, schrie sie, während sie die Dorfstraße entlanglief, »komm her. Auf der Stelle!« Aus den Eingängen der Kochhütten quoll Rauch, drang durch die Ritzen der Grasdächer, wurde von einem stetigen Wind verteilt. Der Abend nahte, es wurde gekocht. Ein paar Kinder, die in den langen Schatten der späten Sonne in einer Pfütze gespielt hatten, vernahmen ihren Ton und verschwanden blitzartig unter der Kuhhaut, die den niedrigen Eingang der Hütten verdeckte, die Gruppe Frauen, die schwatzend und lachend davor standen, drehten sich ruckartig zu ihr um, verstummten. Sie verfolgten Jills Weg mit verstohlen funkelnden Blicken, steckten tuschelnd die Köpfe zusammen.
Dabulamanzi-John saß auf einem alten Gartenstuhl, den sie ihm einmal geschenkt hatte, vor seiner
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