Ein Land, das Himmel heißt
an, verbreitete sich blitzschnell wie ein Grasbrand. Als wäre eine Lunte gezündet worden, lief das Gelächter durchs ganze Dorf, zwitscherte durch die Bäume, flog über das weite Land, bis es alle mit Lebensfreude erfüllte, ehe es allmählich abebbte.
Jill richtete sich auf, wischte sich die Augen. Die Sonne sank schnell, gleich würde es dunkel sein, sie musste sich sputen. Aber noch konnte sie nicht gehen. Erst musste sie richtig stellen, was falsch gelaufen war. Der Respekt, den die Zulus für sie hegten, stand auf dem Spiel. »Das Land, auf dem ihr lebt, gehört euch«, begann sie, wählte ihre Worte sorgfältig, »und alles, was darauf wächst, ist eures. Eure Tiere können darauf grasen. Ist das so?« Sie sprach laut, bestrebt, dass die anderen hörten, was sie Nelly, Ben Dlaminis Frau, zu sagen hatte.
Nelly nickte, wachsam, misstrauisch. »Yebo.«
»Nun, das, was auf meinem Land wächst, ist demnach meins und nicht eures. Ihr könnt Ananas, Avocados, andere Früchte und Gemüse bei mir kaufen, um sie auf eurem Stand den Touristen anzubieten. Ich werde euch einen guten Preis machen, einen sehr guten, aber ich werde unnachgiebig die Polizei rufen, wenn man mich bestiehlt. Hast du das verstanden, Nelly?«
Nach ein paar Augenblicken, in denen sie reglos dasaß, mit keiner Miene verriet, was in ihr vorging, nickte Nelly, lächelte dann, nickte wieder. »Es ist gut«, sagte sie zufrieden und reichte ihr die Hand, packte sie in dem traditionellen Dreiergriff, besiegelte dann diesen Vertrag mit einer Umarmung. »Hamba kahle, Jilly«, sagte sie.
»Sala kahle«, antwortete Jill mit einem Kuss, wandte sich ab und machte sich durch die kurze Spanne der Dämmerung auf den Weg nach Hause. Mal sehen, wie lange das hält, dachte sie belustigt, denn sie kannte die Zulus gut. Es würde nicht lange dauern, und dann würde wieder einer von ihnen ihre Grenzen testen, seinen Vorteil ausnutzen, sehen, wie weit er gehen konnte, ehe sie es merkte und sich wehrte. Sie würde die Augen offen halten müssen. Doch sie fühlte sich so gut nach diesem Lachen, so frisch und voller Kraft.
»O Nelly«, flüsterte sie mit kindlicher Zärtlichkeit, »Nelly, Nelly …« Ihre Lider brannten, Tränen stiegen in ihr auf, unvermittelt sah sie Martin vor sich, dachte an Christina und erkannte, woher ihre Tränen rührten. Sie war einsam. Horchte sie in sich hinein, war da nichts als hallende Leere, war alles, was sie hörte, ihr eigenes Echo. Nils’ Stimme war noch zu leise.
*
Am Dorfausgang war der Stand leer geräumt, die beiden jungen Mädchen waren verschwunden. Der Widerschein der hinter den Horizont gesunkenen Sonne lag über dem Land, ließ das sommertrockne Gras golden aufleuchten. Sie trocknete ihre Tränen. Niemand sollte sie sehen. Die Schatten wurden schnell länger, tiefer, und dann fiel die Dunkelheit wie ein weiches Tuch, legte sich über den Busch und das Gras, hing wie Spinnweben zwischen den Zweigen der Akazien. Sterne funkelten über ihr, eine Wolke schob sich über den jungen Mond, und bald konnte sie ihre Hand vor Augen nicht mehr sehen. Sie wartete, bis die Wolke weitergezogen war, ehe sie weitereilte, als ein schabendes Geräusch sie erstarren ließ, und dann hörte sie eine Stimme. »Sakubona, Jill.« Sie erkannte sie sofort als die von Popi. Eine böse Vorahnung überfiel sie. Was wollte er? Wieder diese lächerliche Geschichte über seine Vorfahren erzählen?
»Hi, Jill.« Thandi stand vor ihr, an ihrem Hals und den Handgelenken schimmerte Gold, in der Hand hielt sie eine brennende Taschenlampe. Sie musste im Haus gewesen sein, denn statt des edlen Safarianzugs trug sie ein knappes schwarzes Oberteil und schwarze Jeans. Ein zweiter Taschenlampenkegel huschte über den Rand des Buschs, und Popi trat heraus.
»Was macht ihr hier?«, fragte sie scharf, ein ungutes Gefühl ballte sich in ihrem Magen zusammen. Popis Taschenlampe leuchtete über die Vegetation, die den Weg begrenzte. Sie meinte, hier und da Schatten zu erkennen, die tiefer waren als die von Bäumen, sah das Aufblitzen von Zähnen, das Weiße von wachsamen Augen, wusste, dass seine Leute nur wenige Meter entfernt waren. Vermutlich befanden sie sich auch auf der anderen Seite des Weges. Es gab kein Entrinnen für sie. Angst kroch in ihr hoch. Ihr Pulsschlag erhöhte sich.
Jetzt standen die Kunene-Zwillinge direkt vor ihr. »Ich möchte dir etwas zeigen, Jill.« Popi bückte sich, öffnete die Schnürsenkel seiner Sportschuhe und zog sie aus. Thandi
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