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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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konnte auch sie es sehen.
    *
    Sie stand sehr früh auf, weil sie die Befürchtung hegte, dass ihr Vater Inqaba verlassen würde, ohne sich von ihr zu verabschieden. Ihre Vermutung erwies sich als richtig. Schon um sechs Uhr saß er, fertig zur Abreise in einen leichten Anzug gekleidet, auf der Terrasse und ließ sich von Bongi Rührei mit Speck, eine große Kanne Kaffee und die frischen, duftenden Brötchen Nellys servieren.
    Sie setzte sich zu ihm. »Du willst also wirklich abreisen?«
    Er nickte kauend, schluckte. »Ja. Es ist besser so, glaub mir. Jetzt erscheint dir mein Handeln vielleicht unverständlich, und du bist verletzt, aber es kann nur einen Boss hier geben, und dank deiner Leistung erkenne ich an, dass du das bist.«
    Seine Worte bereiteten ihr eine gewisse Genugtuung, aber das war es nicht, was sie von ihm wollte. Sie wollte seine Liebe spüren, seine Sorge für sie als seine Tochter, brauchte ihn als Verbindungsglied zu ihrer Vergangenheit. Hatte ihre Mutter unter dieser Kühle auch gelitten? Oder hatte er sich ihr gegenüber anders benommen? Es war müßig, darüber nachzudenken. »Wohin fliegst du heute Abend, nach Frankreich?«, fragte sie.
    Noch immer kauend schüttelte er den Kopf. »Nein, ich mache mich auf, Afrika wiederzufinden. Ich habe mir ein Zelt gekauft, das in einen Rucksack passt, ein Gewehr und einen Sonnenschutzhut. Ich gehe in die Karoo.«
    »Was willst du in der Karoo? Sag es mir. Warum bleibst du dann nicht bei mir?«
    »Kannst du dir das nicht denken? Endloser Busch, blaue Berge, Horizonte, die weiter sind, als das Auge erfassen kann, Farben wie nirgendwo auf dieser Erde. Keine Menschen.« Er wischte sich über die Stirn, Sehnsucht glühte in der Tiefe seiner Augen. »Nach Carlottas Tod bin ich vier Wochen allein durch die Karoo gelaufen. Es hat mir das Leben gerettet.« Mehr erzählte er nicht davon, als wollte er diese Zeit für immer nur für sich bewahren. Danach sprachen sie belangloses Zeug, bis er um sieben aufstand, sich streckte und verkündete, dass er schon jetzt fahren würde. »Ich will noch einmal Carlottas Grab besuchen, und in Johannesburg am Flughafen wartet ein alter Freund auf mich. Ich werde meine Sachen bei ihm lassen.«
    Sie fragte nicht, ob sie ihn zum Grab begleiten sollte. Es war offensichtlich, dass er allein mit seiner Frau sein wollte. Sie musste das akzeptieren. Draußen legte er ihr seine Hände auf die Schultern, küsste sie auf beide Wangen. Sie brachte es fertig, kühl und beherrscht zu wirken, als er ins Auto stieg und vom Hof fuhr. Zum letzten Mal. Er würde nie wieder zurückkehren, das war ihr klar.
    Mit gesenktem Kopf und versteinerter Seele ging sie ins Haus, grüßte ein paar frühe Gäste und zog sich dann in ihr Arbeitszimmer zurück, um die Rechnung für Rainer und Iris Krusen vorzubereiten, die am morgigen Nachmittag abreisen würden. Inständig hoffe sie, dass der Tag glatt verlaufen und nicht ein weiteres Zeichen der Rache der Kunene-Zwillinge über sie hereinbrechen würde. Später plante sie, mit Philani in den Busch zu fahren, um festzustellen, wie umfangreich die Zerstörung war, die die wütenden Elefanten angerichtet hatten. Der Gedanke, dass viele Nester der seltenen Vögel, die es nur auf dem Gebiet von Inqaba gab, zerstört sein würden, ließ ihr den Zorn auf Popi in den Kopf steigen. Dieser Zorn verdrängte die Gefühle, die die Worte und die Abreise ihres Vaters aufgewühlt hatten. Inqaba brauchte ihre Fürsorge.
    Auf der Terrasse traf sie die Krusens und fragte, ob sie sich einen Moment zu ihnen setzen dürfte. Beide schienen hocherfreut. »Wir wollten Sie ohnehin noch sprechen, Jill«, sagte Iris mit einem raschen Blick auf ihren Mann, der diesen mit einem Nicken quittierte, »wir haben gesehen, dass das Dach der kleinen Schule im Dorf nicht dicht ist, und haben uns erkundigt, was es kosten würde, es zu reparieren. Wir möchten das Geld dafür gern spenden. Für uns ist es nicht sehr viel.«
    Im ersten Moment empfand sie es fast als einen Vorwurf, dass sie die Schule hatte verkommen lassen, merkte aber schnell, dass Krusens das nicht im Entferntesten beabsichtigten. »Das ist außerordentlich großzügig von Ihnen. Sie werden in die Geschichte des Dorfes eingehen. Man wird Sie in Gesängen preisen, Ihnen einen Zulu-Namen geben.«
    »Glauben Sie? Oh, wie wunderbar. Wir lieben Afrika«, sagte Iris und hatte verdächtig glänzende Augen, »wir möchten etwas von dem, was wir hier erleben durften, zurückgeben. Sollen wir

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