Ein Land, das Himmel heißt
verpasst hatte, an dem sie sich seelisch unbeschadet von ihm zurückziehen konnte. Sie musste sich gegen den Schmerz stählen, den er ihr zufügen würde, wenn er sich verabschiedete. Er würde sagen, wir treffen uns wieder, ganz bald, bestimmt, aber er würde gehen, und sie würde zurückbleiben. In seiner Welt war kein Platz für sie. Darauf musste sie sich vorbereiten. Allein der Gedanke machte sie halb verrückt.
»Schluss für heute.« Er setzte den kleinen Jungen am Beckenrand ab und kletterte aus dem Wasser. »Ich muss noch an meinem Bericht feilen«, sagte er zu ihr, »um acht Uhr stehe ich ganz zu deiner Verfügung.« Das Lächeln in seinen Augen, die Berührung seiner Hand auf ihrem Nacken war genug, dass ihr die Knie weich wurden.
Sie machte sich steif, versuchte zu widerstehen. Es half gar nichts. Verstohlen lehnte sie sich an ihn. Seine nasse Haut über den harten Muskeln war kühl und doch warm, über die Maßen köstlich anzufassen. Sie fuhr zurück, als hätte sie sich verbrannt. »Ich rufe Angelica an, sie soll etwas Schönes für uns kochen. Kommst du mit, Axel?« Dieser nickte erfreut. Geflissentlich übersah sie die flüchtige Enttäuschung, die über Nils’ Gesicht huschte. Für die Zeit, die er noch hier sein würde, plante sie, möglichst selten mit ihm allein zu sein. Es war einfach zu gefährlich. Sie wickelte sich ihr Handtuch um, verknotete es über der Brust und ging hinüber zum Haupthaus in ihr Zimmer. Floh, wäre vielleicht der treffendere Ausdruck gewesen.
Axel sagte in letzter Sekunde die Verabredung zum Abendessen ab. Sein Grund dafür war derart fadenscheinig, dass Jill die Vermutung hegte, dass Nils ihn dazu verdonnert hatte. Schon nach der Vorspeise war ihr Entschluss ins Wanken geraten, sich von ihm fern zu halten. Sie blieben, bis Angelica mit den Schlüsseln klingelte. Als sie wenige Minuten vor Mitternacht wieder auf den Hof fuhren, war der Tag vorbei, und nichts war geschehen. Verstohlen atmete sie auf.
Sie stiegen aus dem Auto, Nils schloss ab, legte seinen Arm um sie, und so gingen sie hinüber in seinen Bungalow. »Lass uns noch einen Moment auf der Veranda sitzen, einfach nur so – ich will nicht, dass dieser Tag je endet.«, flüsterte sie.
Es passierte, als sie sich gerade in die Rattansessel gesetzt hatten. Sie hörte ein Rascheln, dem sie keine Bedeutung beimaß, ein Schatten flog an ihrem Kopf vorbei, und dann knallte etwas neben ihnen auf die Fliesen der Veranda. Sie schrie und sprang auf. Er war mit einem Satz am Lichtschalter, schaltete das Licht ein und bückte sich, um den Gegenstand zu untersuchen.
Es war ein Stein, ein Zettel war mit Klebeband daran befestigt. Nils hob ihn auf, riss den Zettel ab, entfaltete ihn, und sie steckten die Köpfe zusammen, um ihn zu lesen. »Das nächste Mal bist du dran.«
Mit einem Schritt waren sie am Geländer, versuchten in der Dunkelheit zu erkennen, woher der Stein kam. Einmal meinte sie, einen Schatten zu sehen, wo keiner sein konnte, sah aber schnell ein, dass eine Wolke vor dem Mond sie getäuscht hatte. Bis auf den Gesang der Zikaden war es still. »Nichts«, flüsterte sie, »oder kannst du etwas sehen?«
Er kam nicht dazu, zu antworten. In diesem Moment klingelte ihr Handy, und sie ärgerte sich sofort, dass sie vergessen hatte, es auszustellen. Ohne auf die Nummer zu sehen, ließ sie es klingeln. »Wenn’s was Wichtiges ist, wird derjenige sich schon melden«, murmelte sie und nahm seine Hand.
»Warum gehst du nicht dran? Ich hab die Reporterkrankheit, ich kann kein Telefon kingeln hören, ich muss wissen, wer es ist.«
»Na gut, wenn’s dich glücklich macht …« Sie meldete sich. Im ersten Moment verstand sie gar nichts, so leise war das Flüstern am anderen Ende. »Sprechen Sie lauter, ich kann kein Wort verstehen … irgend so ein Scherzbold«, sagte sie mit der Hand über der Sprechmuschel.
Wieder dieses Flüstern.
»Hören Sie, ich lege auf, wenn Sie solchen Unsinn machen.« Kaum hatte sie das gesagt, verstand sie etwas.
»Tante Jill, kannst du mich hören? Patrick hier …«
Patrick Farrington, Angelicas Ältester? »Patrick, sprich lauter, ich versteh dich nicht. Ist etwas passiert?« Warum klopfte ihr Herz plötzlich so hart? Warum wusste sie genau, dass wieder ein Wendepunkt in ihrem Leben gekommen war, nach dem nichts mehr so sein würde wie vorher?
»Ich bin angeschossen, Mum auch und Craig …« Seine Stimme versiegte, er unterdrückte ein Husten. »Hilfe … die wollen unser
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