Ein Land, das Himmel heißt
Zwillingsschwester sein können. Es war das Foto, das in Inqabas Geschichtenzimmer an der Wand hing. »Das ist Catherine Steinach, meine Urururgroßmutter, woher hast du es?« Es musste eine Kopie sein.
»Dreh es mal um«, forderte er sie auf, Triumph in seiner Stimme.
Sie tat es und fand eine verblichene handschriftliche Notiz auf der Rückseite. »Für Konstantin auf ewig« stand da, und ihr war der Atem gestockt, als ihr die Bedeutung klar wurde. »Sie haben sich gekannt«, hatte sie geflüstert und es bestürzt wieder umgedreht. Sie blickte ihrem Ebenbild in die Augen und versuchte den Ausdruck darin zu lesen. Aber das Foto war nicht sehr scharf. Catherines Wesen entzog sich ihr. Eben wollte sie das Bild Leon zurückgeben, da fiel ihr auf, dass ihre Urahnin etwas in den zu einer Schale geformten Händen trug. Das hatte sie noch nie bemerkt. Sie hielt das Foto so, dass das Lampenlicht direkt darauf fiel, und erkannte, dass es eine Pflanze war, ein wenige Zentimeter hoher Kaffirbaum. Catherine trug ihn fast wie einen Brautstrauß vor ihrem Körper, und nun wusste sie, wieso die Gruppe Kaffirbäume auf Inqaba noch heute »Catherines Kaffirbäume« hieß. Sie musste den ersten gepflanzt haben.
Leon streckte das Kinn herausfordernd vor. »Offensichtlich nicht einfach nur gekannt, wie es aussieht. Hier, was sagst du dazu?« Er hielt ihr einen braun gefleckten Lageplan hin. »Den habe ich auch in den alten Unterlagen gefunden.« Sein Ausdruck wurde verschlagen, lauernd. Keine Spur mehr von seinem sonst so dick aufgetragenen Charme. »Ich verspreche dir, dass ich herausfinden werde, was dahintersteckt, und dann wird sich vielleicht auch klären, wieso dein Urahn sich plötzlich unser Land einverleibt hat und wie die Pistole in euren Besitz gelangt ist.« Die Drohung, denn genau das war es, ließ ihr unerklärlicherweise die Knie zittern.
Reiß dich zusammen, befahl sie sich und studierte den Plan. »Woher willst du wissen, dass er sein Land nicht an meine Familie verkauft hat?«, begehrte sie auf. »Die Zeichnung zeigt deutlich, dass die Grundstücke aneinander grenzten. Da wäre es doch logisch gewesen, ihm das Land abzukaufen. Meine Familie hat im Laufe der Zeit mehrere angrenzende Ländereien aufgekauft. Wenn der Plan überhaupt echt ist.« Mit Unbehagen merkte sie, dass Len Pienaar sie unverwandt aus dem Hintergrund beobachtete. Demonstrativ drehte sie ihm den Rücken zu.
»Wir Bernitts verkaufen kein Land.« Er hackte mit seiner Hand durch die Luft. »Ich werde es rausfinden, und dann werden dein Vater und ich uns unterhalten müssen. Ich bin mir bombensicher, dass es eine Überraschung geben wird. Eine unangenehme. Für euch.« Damit hatte er sie stehen lassen.
Nachdenklich sah sie jetzt Martin von der Seite an. »Rund hundertvierzig Jahre müsssen dieses Foto und die Grundstückszeichnung bei euch herumgelegen haben, seit drei Jahren suchst du in jedem Winkel eures Hauses nach Unterlagen, ob und wo deine Vorfahren hier Land besessen haben, wieso hat Leon sie erst jetzt gefunden, und wo?«
»Wo man solche Sachen eben findet, in einer verstaubten Kiste in der hintersten Ecke des Dachbodens, die unter Millionen anderer Sachen begraben war. Schließlich wohnen wir ja auch schon weit über hundert Jahre in diesem Haus. Da sammelt sich so einiges an, was dann in Vergessenheit gerät. Glücklicherweise war sie mit Wachs versiegelt, sonst hätten die Mäuse wohl ihre Nester darin gebaut und Kakerlaken den Rest gefressen.«
Plötzlich tauchte vor ihnen im Lichtkegel ein Schlagloch auf, in das das ganze Auto bequem hineingepasst hätte. »Pass auf!«, schrie sie, stemmte sich gegen das Armaturenbrett, um den Stoß abzufangen.
Martin riss in letzter Sekunde das Steuer herum, der Wagen rutschte auf dem schmierigen Straßenbelag am Loch vorbei, landete aber krachend mit dem linken Vorderreifen in dem nächsten. »Scheiße«, fluchte er mit alkoholschwerer Stimme, »Scheißstraße, Scheißloch, Scheiße!«
»Wenn du nicht so schnell gefahren wärst, wären wir auch nicht in das Loch geknallt«, fuhr sie dazwischen und machte deutlich, dass sie ihm die Schuld daran gab, dass sie jetzt nachts auf der einsamen Landstraße ein paar Kilometer hinter Umunyama festsaßen. So moderne Segnungen wie Telefonhäuschen oder auch nur eine Tankstelle gab es auf der ganzen Strecke nicht. »Na prima, das hast du ja gut hingekriegt!«, fauchte sie. »Ich hab dir doch gleich gesagt, lass mich fahren, du bist zu betrunken.«
Er drehte
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