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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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das«, zischte sie.
    Er lachte ihr ins Gesicht.
    Durch einen Moment der Unaufmerksamkeit fand sie sich kurz darauf von ihm in eine Ecke gedrängt. Seine Hände waren überall, seine Körperwärme heiß auf ihrer Haut. Als hätte er sie gebissen, sprang sie zurück. »Lass mich in Ruhe«, fauchte sie, »wage nicht, mich je wieder anzufassen! Du ekelst mich an.«
    Nur zu genau wusste sie, dass das eine Lüge war. Das Schmetterlingsflattern ihres Pulses, das Kribbeln in der Magengrube war zu ihrem Entsetzen etwas ganz anderes als Ekel. In ihrer Erfahrung mit Männern war einer wie Leon noch nicht vorgekommen. Etwas Animalisches ging von ihm aus, zog sie gleichzeitig an und stieß sie ab. Instinktiv versetzte sie ihm einen Schlag, trat ihm fest mit ihren hohen Absätzen auf den Fuß und zog mit einem scharfen Ruck ihr Knie hoch. Er brüllte wie ein Stier.
    Seine Schrecksekunde hatte sie genutzt, um ihm zu entfliehen. Schwarze Haare gesträubt, Gesicht rot, Augen glühend, verfolgte er sie den Rest des Abends mit unversöhnlichen Blicken. Sein Hass versengte sie, er schien ihr massiger, kantiger und größer geworden zu sein. Sie hatte ihn an seiner empfindlichsten Stelle verwundet.
    Martin hatte offenbar von alledem nichts gemerkt.
    Dann war Leon mit dem Foto angekommen. Was bildete er sich eigentlich ein, so zu tun, als hätte ihre Familie sein Land geklaut? Was hatte Catherine dazu bewegt, diese Widmung auf das Foto zu schreiben, wenn doch überliefert war, dass Johann sie auf Händen getragen hatte, sie bis zum Wahnsinn glücklich miteinander waren? Die Familienlegende besagte, dass sie Johanns große Liebe war. Sein Augapfel, sozusagen. Drei Kinder hatten sie zusammen gehabt. Das sprach doch schon für sich?
    Nachdenklich massierte sie ihr rechtes Bein, das inzwischen eingeschlafen war. Ihr fiel auf, dass sie eigentlich nie Catherines Version gehört hatte. Sie beschloss, Irma zu fragen. Ihre Tante verbrachte ein paar Wochen im Spatzennest in Umhlanga Rocks, denn sie befand sich gerade in dieser köstlichen Zeit, wie sie es beschrieb, zwischen zwei Büchern. Das eine war beendet, wurde gerade gedruckt, das nächste war noch nicht mehr als eine vage Idee, so hatte sie ihr am Telefon erzählt, ein Duft, ein Gefühl. »Mich hat plötzlich die Lust überfallen, einen historischen Roman zu schreiben, und ich will etwas in den Geschichten unserer Pionierfamilien in Natal herumstöbern. Die Schluss-Szene steht schon, aber wie und wo es anfängt, was dazwischen passiert, keine Ahnung.« Irma hatte bei diesen Worten selbstironisch gelacht.
    Vielleicht konnte sie Irma dafür interessieren, dem Geheimnis von Catherine und Konstantin auf die Spur zu kommen? Ihre Gedanken sprangen hierhin und dorthin, blieben an Konstantin hängen. Obwohl sie Inqabas Geschichte gut zu kennen glaubte, hatte sie noch nie davon gehört, dass Johann irgendeine Verbindung zu den Bernitts gehabt haben sollte. Der alte Bernitt wird das Land verkauft haben, das war die einleuchtendste Erklärung. Unbestreitbar war, dass der Teil, der auf der Zeichnung als Besitz von Konstantin von Bernitt schraffiert war, heute als südlichster Wurmfortsatz zu Inqaba gehörte.
    Er wird schlicht Geld gebraucht haben, wie sein Urururenkel Martin. Vielleicht war er ein Spieler gewesen. Das erschien ihr wahrscheinlich. Beruhigt atmete sie auf. Es gab keinen Grund, sich aufzuregen. Aber sie schwor sich, Martin morgen wegen des Geldes zur Rede zu stellen. Sie hatte ihren Autositz so weit zurückgekurbelt, wie es ging. Ihre Lider wurden schwerer, ihre Gedanken schwammen wie träge Fische. Die Angst davor, was Leon noch alles auf seinem Dachboden finden würde, die beharrlich in ihrem Hinterkopf bohrte, verlor ihre Hartnäckigkeit, wurde leiser und löste sich auf.
    Doch schlafen konnte sie nicht. Missmutig rutschte sie auf dem Sitz hin und her. Der Druck auf ihre Blase verstärkte sich allmählich ins Unerträgliche, in ihrem Magen schwappte alkoholische Säure, Husten kitzelte ihren ausgedörrten Rachen. Sie fühlte sich eindeutig nicht wohl. Endlich musste sie dem Drängen ihrer Blase nachgeben, und sie tat es mit der Waffe in der Hand. Als sie fertig war, stieg sie schnellstens wieder in den Wagen und verriegelte alles. Die Scheinwerfer einzuschalten wagte sie nicht. Die Batterie würde das nicht aushalten. Müde legte sie wieder den Kopf ans raue Sitzpolster.
    In der Dunkelheit war die Zeit ausgelöscht, kein Auto zog an ihr vorbei. Nur einmal näherte sich ein schwankendes

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