Ein Land, das Himmel heißt
genau verstand, was Jill ihr gesagt hatte. »Gott sei Dank, das ist ja wunderbar! Brauchst du sonst noch etwas für Sonnabend?«
Jill, die von Kochen nicht die geringste Ahnung hatte, überlegte. »Nelly macht eine kalte Suppe und die Salate, aber ihre Desserts sind eher hausbacken. Ich habe einmal bei dir die göttlichste Mousse au Chocolat gegessen …«
Tita lachte laut. »Dann musst du die Koeksysters weglassen. Als fettes Schmalzgebäck passen die nicht zu meiner Fünftausend-Kalorien-Mousse.« Sie seufzte neidisch. »Du kannst es dir leisten.«
Jill sah an sich herunter und seufzte auch. Seit der Fehlgeburt hatte sie eine Leidenschaft für Hefeschnecken und Cappuccinoküsse entwickelt, und man sah es. Nun, der Sommer nahte, sie würde wieder surfen. Das war der beste Kalorienfresser.
*
Am Sonnabend schien die Sonne, alles blühte, die Vögel balzten, die Ochsenfrösche gerieten in Ekstase, am Wasserloch präsentierte die Warzenschweinmutter ihren neuen Wurf, sogar die Schnecken ergingen sich auf der Hauswand in aller Öffentlichkeit in komplizierten Liebesspielen. Der Frühling war ausgebrochen. Phillip Court stand mit seinem Schwiegersohn am Grill, das Bierglas in einer Hand, die Grillgabel zum Wenden der Steaks in der anderen. Martin knabberte an einem Lammkotelett. Tita lag in einem hinreißenden, flaschengrünen Kleid im Liegestuhl und unterhielt sich angeregt mit Carlotta.
Jill zog Neil unauffällig ans Geländer. Keiner konnte sie hier belauschen. »Kennst du einen einarmigen Len? So einen unangenehmen, dicken Kerl mit Hamsterbacken und kleinen Augen«, flüsterte sie, trank dabei ihren Rotwein in kleinen Schlucken, »und einem fiesen Mund wie ein Schlitz«, fügte sie hinzu.
Neil, der auf das im Mondlicht glänzende Land geblickt hatte, drehte sich abrupt um und stellte sein Weinglas auf dem Geländer ab. »Allerdings. Warum?«
Sie erzählte ihm, warum.
Ein grasgrünes Chamäleon saß auf der Bougainvillea, die im Kübel neben ihnen stand. Es hob sein rechtes Vorder- und sein linkes Hinterbein und schaukelte langsam hin und her. Dann machte es einen Schritt vorwärts. Neil betrachtete es mit offensichtlicher Faszination. »Hier ist er also aufgetaucht«, bemerkte er nach einer Pause. »Ich habe mich schon gewundert, was aus ihm geworden ist. Ich hatte nur gehört, dass er den Polizeidienst vor einiger Zeit quittiert hat und verschwunden ist.« Etwas glühte in der Tiefe seiner hellen Augen auf, es war schwer für sie zu sagen, was es war. Ein plötzlich aufflammendes Interesse, Spannung wie die einer Raubkatze beim Anschleichen? Aber vielleicht war es auch nur der Widerschein des Grillfeuers.
»War er bei der Kripo?«, fragte sie.
»O nein«, er schüttelte langsam den Kopf. »Sein Name ist Len Pienaar. Er war Kommandeur einer geheimen Eliteeinheit von Polizeioffizieren, die gegen extrem hohe Bezahlung politische Morde ausführten. Man nennt ihn nur die Verkörperung des Bösen. Ihre Basis ist die Farm Vuurplaas. Er war hauptsächlich für Anschläge in Übersee zuständig. Außer viel Geld standen ihm eine Yacht im Mittelmeer und Flugzeuge zur Verfügung. Er lebte wie die Made im Speck, und das Leben als internationaler Playboy war seine beste Tarnung. Und er war teuflisch gut. Von ihm stammt der Ausspruch: Elf Monate im Jahr jage ich Menschen, einen Monat mache ich Ferien. Dann jage ich Tiere.«
»Ach, du lieber Gott«, sagte Jill, bekam plötzlich keine Luft mehr.
Neil trank einen Schluck Wein. »Es kam der Punkt, als selbst seine Vorgesetzten ihn nicht mehr ertragen konnten. Sie warfen ihn raus. So sagt man jedenfalls. Alles, was über ihn bekannt ist, sind Gerüchte. Man kann ihm persönlich nichts Konkretes nachweisen. Seine Opfer sind entweder tot oder haben zu viel Angst vor ihm.«
»Heute noch? Er ist doch nicht mehr bei der Polizei, sagtest du«, fragte sie ungläubig.
»Heute noch, und bis er tot ist, wird das wohl so bleiben«, bestätigte er. »Du kennst doch den Spruch: Ein Wolf bleibt ein Wolf, auch wenn er im Schafspelz daherkommt. Er ist sehr clever.« Er nahm noch einen Schluck und stellte sein Glas wieder zurück auf das Geländer. »Nachdem er Vuurplaas verlassen hatte, verschwand er, war wie vom Erdboden verschluckt. Seitdem geht unter seinen Ex-Kollegen die Angst um, dass er plant, die Aktivitäten der Einheit von Vuurplaas bloßzustellen. Kannst du dir vorstellen, welche Wirkung es haben würde, wenn der ehemalige Kommandeur dieser Folterfabrik auspackt? Überhaupt
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