Ein Land, das Himmel heißt
sich im Sitz zu ihr um. »Um das mal glasklar zu machen, liebste Jill, nicht ich habe Schuld, auch ganz bestimmt nicht diese wunderschöne Straße«, nuschelte er, »sondern die Tatsache, dass wir hier draußen im Bundu wohnen, also noch weit hinter dem Arsch der Welt, mitten unter den Kaffern und den Affen, anstatt unter zivilisierten Menschen. Und das ist deine Schuld.«
Bei diesen Worten zuckte sie zusammen, ihre Stimme aber blieb ruhig. Mit Martin zu streiten, wenn er betrunken war, kostete nur Nerven und brachte nichts. »Du hast von Anfang an gewusst, dass ich auf Inqaba leben wollte, wie soll ich außerdem meinen Vogelgarten anlegen, wenn ich in Durban wohne?«
Er warf die Hände in die Luft, glich für einen Augenblick einem tollpatschigen Tanzbär. »Der Garten hier, der Garten dort, immer der verdammte Garten. Ich habe ihn bis hier«, er hielt sich die flache Hand unter die Nase, »er wird ja doch nichts. Ich hab dir gleich gesagt, dass du ihn an der falschen Stelle anlegst, aber du wolltest ja nicht hören. Jetzt hat ihn der Regen den Abhang runtergespült, und du kannst von vorne anfangen. Drei Jahre durch dämliche Sturheit und Dilettantismus vergeudet.«
»Erstens kam der Regen nach einer monatelangen Dürre, zweitens, mein lieber Martin, war der Regen, der dann auf uns herunterstürzte, der schlimmste und längste, den wir in den letzten zehn Jahren erlebt haben, und drittens sind die drei Jahre nicht vergeudet.« Immer noch zwang sie sich, ruhig zu bleiben. »Ich will meine Doktorarbeit darüber schreiben, das ist ja wohl Grund genug, auf Inqaba zu bleiben.«
»Ach, wozu brauchst du denn einen Doktor? Ich denk, du willst dringend Kinder haben, du bist doch dauernd deswegen hinter mir her. Windeln wechseln wirst du wohl auch ohne Doktortitel können, oder? Hoffentlich klappt’s bald, dann bist du wenigstens beschäftigt, denn bilde dir nicht ein, dass du unsere Kinder irgendeinem Kaffernmädchen überlässt und dann Vogeldoktor spielen gehst«, warf er ihr an den Kopf.
Fast hätte sie sich geduckt. Der Streit hatte eine Eigendynamik entwickelt, die Worte sausten ihr wie Wurfgeschosse um die Ohren. Ihre Beherrschung brach. »Sag nicht immer Kaffer, du verdammter Rassist, und was hat das Ganze mit der Tatsache zu tun, dass du sternhagelvoll bist?«
Er grinste böse, hob die Hand. »Halt, sag nichts, ich weiß, was wirklich los ist. Meine kleine Prinzessin«, mit gezierter Handbewegung wies er auf sie, »lebt gerne feudal und mag keine Nachbarn, dafür muss ihr Prinz, das bin ich«, hier tippte er sich mit dem Finger auf die Brust und verbeugte sich schwankend vor einem imaginären Publikum, »jedes Mal, wenn ich auf einer Baustelle gebraucht werde, erst einmal zwei Stunden durch diese gottverdammte Gegend gurken!« Polternd stieg er aus und rülpste dabei laut.
»Das ist ja nicht gerade häufig, also so schlimm kann’s nicht sein«, erwiderte sie sarkastisch. Die »Prinzessin« hatte gesessen. Wütend stieg sie ebenfalls aus, hob den Rock ihres langen Seidenkleids an. Die Straße war nass und schmierig von dem Wolkenbruch, die Augustnacht kühl und ihr Oberteil schulterfrei. Fröstelnd stand sie da.
»Was willst du damit sagen?«, brüllte er. Er stand mitten auf der Fahrbahn, die weichen Haare hingen ihm in die Augen, sein Hemd war vorn aus der Hose gerutscht, ein verschmierter Lippenstiftfleck saß blutrot auf dem Kragen.
Nicht ihre Farbe, stellte sie fest. Eisig musterte sie ihn, und eisig war auch ihre Stimme, als sie ihm antwortete. »Das heißt, dass du, seitdem du betrunken auf der Baustelle des Reeders aufgekreuzt bist, seine Frau als prätentiöse Tussi und ihn als Kulturmörder beschimpft hast und von seinem Fahrer hochkant vom Grundstück befördert wurdest, außer einem Garagenanbau in Umhlanga keinen Auftrag mehr bekommen hast!«
Martin explodierte wie ein Vulkan. Er tobte vor ihr im Licht der Autoscheinwerfer herum, rannte auf und ab, fuchtelte mit den Armen, seine Worte prasselten wie Steinschlag auf sie herunter. Zum Schluss seiner Tirade warf er ihr die Autoschlüssel vor die Füße und schwankte steifbeinig in die Dunkelheit.
»Da ist noch eine Sache«, platzte sie heraus. »Ich möchte wissen, wozu du all das Geld brauchst, das du dir ständig von unserem Konto abhebst …« Sie unterbrach sich, war nicht sicher, ob er den letzten Satz noch gehört hatte. Er war ihr herausgerutscht, ganz unwillkürlich, denn sie hatte sich noch nicht einmal selbst eingestanden, dass sie
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