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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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die Tatsache, dass Martin heimlich größere Summen von ihrem gemeinsamen Konto nahm, stark beunruhigte. Für sich selbst fand sie ständig neue Erklärungen dafür. Sein Auto musste überholt werden, er musste Klienten einladen, er brauchte dringend das neueste Architekturprogramm für den Computer, und, und, und. Bis jetzt. »Ich will eine Antwort!«, schrie sie ihm in die Dunkelheit nach.
    Aber nur der Wind und das Schrillen der Zikaden antworteten ihr. Schäumend vor Wut durchwühlte sie den Kofferraum, bis sie den Wagenheber gefunden hatte, setzte ihn an und kurbelte. »Ich kann auch ohne dich«, knirschte sie, atemlos vor Aufregung und Anstrengung. Tatsächlich hob sich der Wagen langsam, neigte sich ein wenig, wippte, und der linke Vorderreifen rutschte auf dem schmierigen Straßenbelag aus ins nächste Schlagloch. Jähzornig schrie sie auf und trat gegen den Wagenheber. Der brach weg, die Vorderachse schlug mit einem metallischen Knall auf, und das war’s dann. Sie saß fest.
    Sie griff ins Auto, schaltete die Scheinwerfer aus, um die Batterie zu schonen. Schlagartig umfing sie undurchdringliche Schwärze, die Geräusche der afrikanischen Nacht wurden laut und unheimlich. Unvermittelt setzte auch wieder der Regen ein, als hätte sich oben eine Schleuse geöffnet, und ein Donnerschlag ließ sie zusammenfahren. Hastig stieg sie ins Auto, verriegelte alle Türen und hätte am liebsten geschrien vor Wut und Frustration. Es dauerte eine Stunde, bis sie sich wenigstens so weit beruhigt hatte, dass sie ihre Lage einigermaßen nüchtern betrachten konnte.
    Sie saß mitten in der Nacht allein in einem zusammengebrochenen Auto auf einer Landstraße zehnter Klasse im Herzen von Zululand fest. Prompt fielen ihr sämtliche Zeitungsberichte über Überfälle ein, die in der letzten Zeit im größeren Umkreis stattgefunden hatten, und sie konnte nicht verhindern, dass sie sich auch an die Einzelheiten erinnerte. Sie verfluchte ihre blühende Fantasie, versuchte, den Film in ihrem Kopf anzuhalten. Nervös öffnete sie das Handschuhfach, tastete darin herum, konnte sich nicht mehr erinnern, ob sie die Waffe eingesteckt hatte. Als sie kühles Metall fühlte, zog sie die Pistole erleichtert hervor und legte sie in den Schoß, behielt sie aber in der Hand.
    Ihr Rachen fühlte sich an, als wäre er mit Sandpapier ausgeschlagen, außerdem musste sie dringend auf die Toilette. Der Regen lief in Sturzbächen an den Fenstern herunter, Donner krachte unablässig, so laut, als würde ein Zug über sie hinwegfahren. Blitze zuckten durch die Nacht. Ihr grelles Flackern täuschte Formen im Busch am Wegrand vor, ließ Trugbilder über ihre Fenster spuken, Tieraugen teuflisch aufleuchten. Ein dumpfer Schlag und Getrappel auf dem Dach, das nichts mit dem prasselnden Regen zu tun hatte, jagte ihren Pulsschlag in panische Höhen. Schnell vergewisserte sie sich, dass die Türen verriegelt und die Fenster geschlossen waren, verrenkte sich den Hals, um erkennen zu können, was das Geräusch verursacht hatte.
    Zwei Totenkopfschädel grinsten sie durch das Rückfenster an. Für schreckensstarre Sekunden glaubte sie, wieder die Männer mit den aufgemalten Totenkopfschädeln zu erblicken. Angst drückte ihr die Kehle zu. Verzweifelt kämpfte sie um Atem, konnte nicht einmal schreien. Doch auf einmal verschwanden die Köpfe, sie meinte schon, einer Halluzination erlegen zu sein, als sich kopfüber ein weiterer zähnefletschender Schädel, diesmal vor der Frontscheibe, in ihr Gesichtsfeld schob und eine Krallenhand mit dem Fingernagel gegen die Scheibe klopfte. Mit einem dumpfen Aufschlag landete eine dieser Kreaturen auf ihrer Kühlerhaube, und erst dann merkte sie, dass es sich um eine Herde Paviane handelte. Jills Zähne klirrten aufeinander, als die Reaktion einsetzte. Sie umklammerte die Pistole fester, nahm sich vor, unter allen Umständen wach zu bleiben.
    Langsam stieg Wut in ihr hoch. Auf Martin, wegen ihrer jetzigen Situation, und auf die Bernitts an sich, wegen dieser außerordentlich verwirrenden Angelegenheit des Grundstücksplans, des Fotos von Catherine und die daraus zu folgernde unheilvolle Verflechtung der beiden Familien. Ganz besonders wütend aber machte sie die Erinnerung an ihren Zusammenprall mit Leon. Mit Schaudern dachte sie daran zurück.
    Leons Augen schwammen schon in Alkohol, als Martin und sie ankamen. Er richtete sie mit stechender Brillanz auf sie, gleich darauf spürte sie seine Hand auf ihren Hinterbacken. »Lass

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