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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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reichen. Wir benötigen etwas mehr Flüssiges als den Gegenwert von ein paar hübschen Fummeln. Wir brauchen regelmäßig mindestens zehn zahlende Gäste, um zu überleben, aus Übersee möglichst, denen können wir ordentliche Preise abknöpfen.«
    »Fremde Leute im Haus, das ist ja grässlich«, unterbrach Jill alarmiert, »uns geht’s doch gut, sieh dir an, was hier so herumsteht.« Ihre Handbewegung schloss das Haus, ihren kleinen Geländewagen vor der Tür und die üppige Inneneinrichtung ein.
    »Eben«, entgegnete ihr Vater trocken, »genau das meine ich.«
    Jill erschrak. »Was heißt das? Soll ich etwa mein Auto verkaufen? Es ist euer Geburtstagsgeschenk zu meinem Dreißigsten.«
    Das hagere Gesicht ihres Vaters war gerötet. Ein sicheres Zeichen, dass er sehr erregt war. »Kätzchen, sei nicht kindisch, aber wenn wir so weitermachen, wird es am Ende genau dazu kommen.«
    »Du weißt gar nicht, wie gut du dran bist, so wohlhabende Eltern zu haben«, hatte Angelica nach der Geburt ihres vierten Kindes gejammert, »Kinder kosten ein Vermögen. Sie fressen uns die Haare vom Kopf, sie wachsen so schnell, dass ihnen Kleidung und Schuhe schon zu klein geworden sind, bevor ich sie vom Laden nach Hause getragen habe.« Das Baby in ihrer Armbeuge maunzte leise, drehte suchend das Köpfchen, knetete die Brust seiner Mutter mit den Fäustchen. »Schon wieder hungrig, du gieriges kleines Monster?« Zärtlich lächelnd beugte sie sich hinunter und schob ihr Oberteil hoch, das Kleine schnappte nach ihrer Brustwarze, und dann hörte man nur noch schnuffelnde Schmatzgeräusche.
    Jill, die sich nichts sehnlicher als ein Kind wünschte, presste bei diesen Worten die Lippen zusammen. »Aus meiner Sicht bist du es, die besser dran ist.« Das war vor zehn Monaten gewesen, Christina hatte sich noch nicht angekündigt.
    »Entschuldige«, reumütig legte Angelica ihr den Arm um die Schultern, »meine Hormone sind noch völlig durcheinander. Natürlich ist der gesunkene Zuckerpreis schuld – und diese beschissene Kriminalität, die uns alle kaputtmacht«, brach es unvermittelt aus ihr heraus, »unser technischer Leiter ist nach Australien ausgewandert, weil er zweimal überfallen worden ist und seine Frau ihm ein Ultimatum gestellt hat. Nun finden wir keinen anderen. Alastair haben sie gestern das Auto geklaut, und der Kauf eines neuen frisst alles auf, was wir an Rücklagen haben. Außerdem haben sich ein paar Kerle in den Hütten unserer Arbeiter eingenistet, die da nicht hingehören, und Alastair weiß nicht, was er machen soll. Die Polizei tut nichts, und ich hab Angst.« Angelica hatte nicht geweint, aber ihre freie Hand war über den Tisch geflattert wie ein ängstlicher Vogel. Dann hatte sie ihren Kaffeebecher gepackt und ein paar Schlucke getrunken. Als sie ihn absetzte, schien sie sich gefangen zu haben, vermied es jedoch für eine Weile, Jill anzusehen, als schämte sie sich für ihren Ausbruch.
    Wie eine Windbö die glatte Oberfläche eines friedlichen Sees kräuselt, verursachten Angelicas Worte ihr eine leichte Gänsehaut. Zum ersten Mal hatte sie einen Riss in dem sonst unerschütterlichen Optimismus ihrer Freundin entdeckt. Sie kam nicht dazu, darüber nachzudenken. Angelica drückte ihr die Kleine in den Arm. »Deine Patentochter muss Bäuerchen machen.«
    Mit dem entspannten Baby im Arm, das warme, runde Köpfchen in ihrer Halsbeuge, vergaß sie die Welt um sich, und die vage Beklommenheit, die in ihr erwacht war, starb, ehe sie Zeit hatte, sich wirklich bemerkbar zu machen. Den Hauch, der damals kalt über ihre Haut strich, hatte sie nicht als Angst identifiziert.
    Aber seit Christina sich angekündigt hatte, war sie sensibler geworden, ängstlicher, schirmte sich instinktiv gegen die Welt ab. Sie vermied es, die raue Wirklichkeit wahrzunehmen.
    Martin blies sich die dunkelblonden Haare aus der Stirn, lehnte sich mit verschränkten Armen im Stuhl zurück. »Du denkst an die Überschwemmungen und die extremen Dürreperioden der letzten Jahre, nicht? Leon jammert auch. Jetzt soll es angeblich einen Fall von Maul- und Klauenseuche in der Gegend geben.«
    »Stimmt. Außerdem fallen die Affen ständig über die Maisfelder her, und immer wieder brechen Nashörner aus Hluhluwe aus und walzen unsere Zäune nieder, wilde Schweine graben unsere Kartoffeln aus, und ihr erinnert euch sicherlich alle an den Tag, als die Leopardin Apollo gefressen hat.«
    Jill verzog ihr Gesicht, als hätte sie Zahnschmerzen. Apollo war ihr

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