Ein Land, das Himmel heißt
machen lassen.«
Jill fuhr hoch. »Noch mehr Zäune? Daddy, das kannst du doch nicht machen. Es wird den Charakter von Inqaba zerstören.«
»Aber unseren Gästen und uns wird es Sicherheit bieten. Es treiben sich hier in letzter Zeit zu viele unerfreuliche Elemente herum.« Er beschäftigte sich mit seinen Papieren, sah sie dabei nicht an.
Unerfreuliche Elemente? Sie sah den Mann unter der Akazie stehen, die Schultern zurückgenommen, die Arme lässig in die Hüften gestemmt, das Kinn arrogant hochgereckt. Meinte er Popi? Thando Kunene, ihren Freund, Mitglied der Gang? Oder meinte er diesen Ein-Arm-Len, der sich wichtig machte mit seinem Revolver im Hosenbund, eine Maschinenpistole quer vor sich über den Sattel gelegt, wenn er auf Sicherheitspatrouille ritt? »Wen meinst du mit unerfreulichen Elementen? Diesen Ein-Arm-Len?«
»Wie?«, für einen Moment wusste er offenbar nicht, von wem sie sprach. »Nein, nein, natürlich nicht den, der passt höchstens auf … Nun, du weißt schon, dieses Pack, illegale Landbesetzer, und diese Kerle, die meinen, wir müssten ihnen unsere Farmen überlassen, weil vor zweihundert Jahren irgendein Urahn hier mal gelebt hat oder hier begraben wurde.«
»In Simbabwe sind sie schon rabiater. Angeblich stehst du da eines schönen Morgens auf, und dein Land wimmelt von schwarzen Menschen, die schon dabei sind, ihre Hütten zu bauen und deine Felder zu verwüsten. Die verlangen Land zurück, das irgendeiner ihrer Vorfahren deinen Vorfahren verschachert hat, alles völlig legal, mit Vertrag und so, aber das interessiert die einen Dreck!« Sichtlich aufgebracht, lehnte sich Martin breitbeinig in seinem Stuhl zurück und blickte in die Runde. »Könnt ihr euch vorstellen, was passieren würde, wenn die Besitzverhältnisse in Europa auf den Stand von 1820 zurückgesetzt würden? Chaos, sage ich euch, Kriege, Mord und Totschlag!«
Schweigen begrüßte den Ausbruch. Jill kämpfte mit der Vorstellung von den wimmelnden Menschenmassen, die Martins Worte in ihr hervorgerufen hatten. »Wir haben doch unser Land von König Mpande bekommen, war es denn vorher besiedelt?«
Ihr Vater zuckte die Schultern. »Keine Ahnung, aber ich möchte vorbeugen. Es hat in dieser Gegend bisher noch keinen konkreten Fall gegeben, aber unsere Grenzen sind weit offen, täglich strömen Massen illegal ins Land …«
Martin schlug mit der Faust auf den Tisch, dass Carlotta, die bisher mit abwesendem Blick teilnahmslos dabeigesessen hatte, erschrocken zusammenzuckte. »Alles bricht zusammen. Ich habe kürzlich mit dem Direktor von der Gesundheitsbehörde gesprochen; wusstet ihr, dass wir täglich – täglich! – mehr als hundert neue Malariafälle haben, und zwar die Tropica? Und wisst ihr, warum? Nein? Ich werd’s euch sagen. Die illegalen Einwanderer bringen sie mit, die sind alle verseucht, und wenn unsere Malariamücken ihr Blut trinken und dann einen von uns stechen – bumms, haben wir auch Malaria! Früher wurde hier gegen die Mücken gespritzt, peinlichst alles stehende Wasser kontrolliert, aber die heutigen Herren haben ja eher ihr eigenes Wohl im Sinn. Ihre Taschen sind so schwer von unserem Steuergeld, dass sie kaum noch laufen können.«
»Nicht nur Malaria«, murmelte Phillip, »Natal hat die Ehre, die am schlimmsten mit Aids verseuchte Region der Welt zu sein.«
»Und dann musst du jedes Mal, wenn du übers Land fährst, damit rechnen, dass du überfallen und als Beigabe noch vergewaltigt wirst«, fiel Martin ein.
Christina machte einen Salto in Jills Bauch, und ihr wurde schrecklich übel. »Entschuldigt …«, japste sie und floh, die Hände auf den Mund gepresst, von der Terrasse durchs Haus hinaus auf den Hof, lehnte an der Hauswand und atmete tief ein, bis sich das Baby beruhigt hatte. Die Horrorvisionen, die Dad und Martin heraufbeschworen hatten, verschwanden jedoch nicht, auch nicht die Übelkeit. Ihr war klar, dass sie nicht von der Schwangerschaft herrührte, sondern von den stets mit aller Macht unterdrückten und selten in Worte gefassten Ängsten, die alle hier jede Minute des Tages und der Nacht begleiteten. Besonders der Nacht, dachte sie, und keiner gesteht sich das ehrlich ein.
»Ich hab ein Ortungssystem auf meinem Auto, wo sie mich per Satellit finden, wenn ich entführt werde«, hörte sie Angelicas Worte. Sie hatten sich Donnerstag mit Lina Konning getroffen.
»Tot oder lebendig«, hatte Jill trocken bemerkt. Die Miene ihrer Freundin zeigte deutlich, dass diese
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