Ein Land, das Himmel heißt
lebte auf ihre Kosten, immer noch. Nach sechs Jahren Ehe. Auf Kosten meiner Eltern, korrigierte sie sich, denn das Geld, das sie für ihre Vorträge bekam, reichte nicht einmal für ihre gemeinsamen laufenden Kosten, und auch das würde bald aufhören. Nach Christinas Geburt würde sie vorerst nicht weiterarbeiten. Immer wieder musste sie die Summe angreifen, die sie von ihren Eltern zur Hochzeit erhalten hatte, weil King Charles zwar seine Zinsen für das Darlehen, das er Martin gewährt hatte, überpünktlich eintrieb, andererseits jedoch immer wieder durch ständige Änderungswünsche verzögerte, für die Baufortschritte zu zahlen.
Martin hatte keinen Instinkt fürs Überleben, das hatte sie schon mehrfach festgestellt. Ungeduld überfiel sie. »Vergiss Michelangelo nicht. Die Leute sollen viel Geld für deinen Entwurf bezahlen, also gib ihnen, was sie wollen.« Zu spät erkannte sie, wie ihre unwirschen Worte ihn getroffen hatten, und sie wünschte, sie könnte sie ungesagt machen. Aber wie eine Wand standen sie zwischen ihnen. Schweigend verhakten sich ihre Blicke.
Völlig unerwartet lächelte er dann, voller Selbstironie. »Bingo! Volltreffer. Ich werde den sensiblen Künstler in mir wohl ins Exil schicken müssen, was?« Sein Lächeln wurde frecher, er zog sie an sich, klopfte sanft auf ihren Babybauch. »Hallo«, flüsterte er, »beeil dich gefälligst, Christina, ich will meine Frau wiederhaben …«
Überrumpelt erwiderte sie seinen Kuss, ließ sich willig von dem warmen Strom seiner Liebkosungen davonspülen.
*
Nelly trug bereits die Platte mit dem kalten Fleisch auf, als sie auf die Terrasse kamen, und sie setzten sich. Martin schaltete die beiden Stehlampen neben dem Tisch ein. Jetzt erschien auch ihr Vater, elegant in einem hellen Leinenanzug und Krawatte, und sie verstand, warum er so attraktiv auf Frauen wirkte. Athletisch gebaut, aber schlank, kurze, grau melierte Haare, leuchtend blaue Augen und ein Lächeln, das zeigte, dass er sich seiner Wirkung bewusst war. »Guten Abend allerseits.« Er warf einen kritischen Blick in die Runde, der an Martins krawattenlosem Hemd hängen blieb. »Du liebst es heute bequem, wie ich sehe«, bemerkte er, erwartete offenbar aber keine Antwort.
»Und du bist ein Überbleibsel aus dem vorigen Jahrhundert«, frotzelte Martin, »wir marschieren aufs dritte Jahrtausend zu, und du hältst immer noch die Fahne des britischen Empires hoch.«
»Durchaus nicht«, antwortete Phillip Court mit gerunzelter Stirn, »wir sind hier zwar im afrikanischen Busch, aber das ist kein Grund, sich gehen zu lassen. Nachlässigkeit ist der Anfang allen Schlendrians.« Dann lachte er vergnügt. »Ansonsten hast du Recht, ich bin ein Relikt aus dem neunzehnten Jahrhundert. Aber mir gefällt’s halt so.«
»Solange sich das nur auf die Kleidung bezieht, geht es ja«, lächelte Carlotta und ließ sich in ihren Stuhl gleiten. Mit lockerem Geplauder verging das Essen, erst als Nelly den Kaffee hereinbrachte, legte Phillip einen Aktenhefter auf den Tisch und nahm ein Blatt heraus. »Ich muss etwas mit euch besprechen«, sagte er.
Jill erkannte den Grundriss der Farm, zog befremdet das Papier zu sich heran. »Ein Plan von unserer Farm?«
Martin sah ihr über die Schulter. »Du willst anbauen … neue Bungalows …«, bemerkte er mit deutlichem Erstaunen.
»Und einen neuen Trakt am Haupthaus«, unterbrach Jill, »was soll das? Wozu brauchen wir weitere Bungalows und diesen Klotz da?«
»Gästehäuser«, sagte Martin, »stimmt’s?«
»Stimmt«, bestätigte Phillip, »seit die Rinderpest unsere Herde vernichtet hat, haben wir von der Substanz gelebt. Die Baumwollpreise sind ins Bodenlose gefallen, und die Ananasernte war mager letztes Jahr. Die Zeiten sind härter geworden, wir brauchen zusätzliches Einkommen, sonst werden wir gezwungen, einen Teil des Landes zu verkaufen.«
»Das geht nicht«, begehrte Carlotta mit sanfter Stimme auf, »ich werde keinen Quadratmeter verkaufen.«
Konsterniert sah ihr Mann sie an, in seiner Miene war deutlich zu lesen, dass ihre Reaktion ihn überrumpelt hatte. »Wir werden es müssen, wenn wir nicht irgendwoher Geld bekommen.«
»Ich werde mich einschränken«, verkündete Carlotta, »ich werde dieses Jahr auf meine Wintergarderobe verzichten«, sie erschien erfreut über diesen Einfall, »und du auch, nicht wahr, Juliane?«
Ein schwaches Lächeln spielte um Phillips Mundwinkel. »Das ist großzügig von dir, Liebling, wird aber nicht ganz
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