Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
zu sorgen, dass sie uns beim Händeschütteln fotografierte und die Botschaft mitnahm, man habe sich darauf geeinigt, einen Dialog zu beginnen. Mir war die Bedeutung dieses Augenblicks nur zu deutlich bewusst: Es war eine vertrauensbildende Maßnahme, die das Signal aussandte, dass die verfeindeten Parteiführer miteinander verhandelten und sich auf dem Weg zu einer Lösung befanden. Das war etwas, womit die verzweifelte Stimmung im Land überwunden werden konnte.
Es war freilich auch eine Fassade, denn in Wahrheit wollten Kibaki und Odinga keineswegs miteinander verhandeln. Die Kluft war zu tief. Jeder Versuch, sie an einen Tisch zu bekommen, würde nur zu einer persönlichen Konfrontation führen. Das könnte sämtliche Friedensbemühungen zunichtemachen. Deshalb forderte ich beide Kontrahenten nach dem Händeschütteln auf, drei Personen zu benennen, die ihr Verhandlungsteam bilden würden. Es schien der einzig mögliche Weg zu sein, um etwas zu bewegen.
Kibaki und Odinga willigten ein, Kenias Nationalen Dialog und Nationale Versöhnung ( KNDR ) in Gang zu setzen. Am 29. Januar wurden die Verhandlungen aufgenommen. In den fünf Tagen davor hatte ich Zeit, über die Zielstellung des Prozesses nachzudenken. Dass es nicht bloß um den Streit zweier politischer Führer über ein Wahlergebnis ging, war offensichtlich: Die landesweite Gewaltwelle bedeutete, dass das Problem tiefer lag und im Aufbau des politischen Systems Kenias und in dessen Verhältnis zur Gesellschaft begründet war. Man musste also an die tieferen Ursachen herangehen, andernfalls würde jede Übereinkunft lediglich einen Aufschub der nächsten gewalttätigen Krise darstellen. Unsere Aufgabe bestand darin, mehr als nur ein Stühlerücken für die politischen Eliten zu erreichen. Die Lösung musste die gesamte kenianische Gesellschaft einbeziehen. Unsere Vermittlung musste der Anfang eines tiefgreifenden Reformprozesses sein.
In dieser Zwischenphase hatte ich eine Reihe von Begegnungen mit Vertretern von NGO s, Zivilgesellschaft, Kirchen, Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Gruppierungen, denen ich einen transparenten Prozess versprach, an dem sie beteiligt sein würden. Gleichzeitig dienten die Gespräche der Beruhigung; die Öffentlichkeit sollte den Prozess als etwas wahrnehmen, das nicht nur den Politikern diente, sondern auch in ihrem Interesse geschah. Allen diesen Gesellschaftsgruppen gab ich das Versprechen, dass jede Entscheidung und Vereinbarung zwischen den Konfliktparteien umgehend veröffentlicht werden würde, sobald sie unterzeichnet sei. Die Menschen hatten nicht nur das Recht, zu erfahren, was vor sich ging, sondern mussten sich darüber hinaus den Schlichtungsprozess zu eigen machen, wenn eine echte Reform zustande kommen sollte.
Der erste Verhandlungstag am 29. Januar begann damit, dass buchstäblich Stühle gerückt wurden. Geplant war, dass Odinga und Kibaki noch einmal zusammen auftreten sollten, um die Gespräche zwischen ihren Unterhändlern zu eröffnen. Wie üblich bei solchen Anlässen legte mein Team die Tischordnung fest – mit mir in der Mitte sowie Kibaki auf meiner rechten und Odinga auf meiner linken Seite. Aber dann kam jemand aus Kibakis Team herein, stellte die Stühle um und platzierte einen speziellen Präsidentensessel in der Mitte. Das war die Lage, als ich den Raum betrat.
»Dies ist kein präsidialer Empfang«, stellte ich ruhig fest. »Ich verhandle mit zwei Protagonisten. Stellen Sie die Stühle wieder zurück.«
»Aber das untergräbt die Stellung des Präsidenten«, entgegnete Francis Muthaura, der Chef des öffentlichen Dienstes und ständige Sekretär des Präsidenten. Dann tauchte Uhuru Kenyatta, Kibakis Minister für kommunale Verwaltung, hinter Muthaura auf. »Er geht in diesem Land nirgendwohin ohne seinen Sessel«, erklärte er. »Und er wird immer an der prominentesten Stelle platziert.«
»Dies ist eine politische Schlichtung«, gab ich zurück, »und kein politischer Alltag. Ich leite die Sitzung, und sie werden mir zur Seite sitzen.« Mir war klar, dass die OMD -Vertreter, wenn sie den Präsidentensessel in der Mitte sahen, die Sitzung wahrscheinlich platzen lassen würden. Um einen Aufstand der PNU zu vermeiden, ließ ich Kibaki seinen Präsidentensessel, allerdings nicht in der Mitte, sondern auf einer Seite. Der Mangel an Problembewusstsein und die kindische Art dieser Komplikationen waren beachtlich. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als im Rift Valley über vier Tage hinweg
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