Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
in jenen Tagen wurden alle Debatten von der fieberhaften Erwartung überstrahlt, dass die Afrikaner endlich frei sein würden, ihre Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen. Ich verfolgte diese falsche Morgenröte in dem damals weit verbreiteten Glauben, dass wir alle in dieser aufregenden Zukunft eine kraftvolle Rolle spielen könnten, und dieser Glaube hielt an, als die ersten Putsche stattfanden, erbärmliche Führer die Macht übernahmen und ein institutioneller Verfall einsetzte.
Ende der sechziger Jahre, als ich als junger UN -Mitarbeiter bei der Wirtschaftskommission für Afrika in Addis Abeba tätig war, sah ich die wirtschaftlichen Aussichten des Kontinents ebenso optimistisch wie meine Kollegen. Wir entwarfen grandiose Visionen für die regionale Integration Afrikas durch die Entwicklung der Infrastruktur: den ganzen Kontinent umspannende Kommunikationssysteme, Straßen und Eisenbahnnetze – notwendige Grundlagen für die ökonomische Prosperität Afrikas. Davon ist wenig verwirklicht worden. Die Entwicklung der Infrastruktur tritt auf der Stelle. Das Reisen ist weiterhin unglaublich schwierig, so dass man, wenn man von einem afrikanischen Land in ein anderes reisen will, häufig einen Umweg über Europa machen muss.
Während Afrika kaum vorankam, war von den afrikanischen Führern immer nur der wütend-empörte Aufschrei zu hören: Die Kolonialmächte sind schuld. Sie hätten es versäumt, Afrika zu entwickeln, und es in einem schrecklichen Zustand zurückgelassen. Für einige von uns Jüngeren war jedoch klar, dass wir aufhören mussten, dem Kolonialismus die Schuld an allem zu geben. Die Entkolonialisierung war zehn Jahre her, doch während die afrikanischen Wirtschaften immer weiter zurückfielen, ging das Spiel mit den Schuldzuweisungen an die Kolonialmächte unvermindert weiter.
In den sechziger und siebziger Jahren rief die UNO ihre ersten »Entwicklungsdekaden« aus. In der reichen Welt galten die Aufmerksamkeit und die politischen Anstrengungen jedoch nicht der Armut, sondern der Gewalt. Ost und West mischten in den Bürgerkriegen mit, die aus den nationalen Machtkämpfen resultierten, die nach dem Rückzug der europäischen Kolonialmächte vielerorts entbrannt waren. Die Großmächte, die diese Bürgerkriege in der Hoffnung auf einen Sieg der von ihnen bevorzugten Gruppe schürten, sorgten sich kaum um die Entwicklung der Länder.
Das soll nicht heißen, dass während des Kalten Krieges keine ernsthaften Anstrengungen unternommen wurden, um die Entwicklung in Afrika voranzubringen. Die Niederlande, Kanada und die skandinavischen Länder zum Beispiel stellten beträchtliche Mittel für die Entwicklung armer Länder zur Verfügung. Aber aufs Ganze gesehen floss der Großteil der Ressourcen, welche die reichsten Nationen, insbesondere die Supermächte und ihre engsten Verbündeten, für Auslandsaufgaben aufwandten, nicht in die Entwicklung. Nach Abzug der Ausgaben etwa für die von der Sowjetunion unterstützten kubanischen Truppen, die in aller Öffentlichkeit in Angola landeten, oder die von den USA unterstützten südafrikanischen Truppen, die ebenso öffentlich in Namibia einmarschierten – alles im Schatten der Gefahr der globalen atomaren Vernichtung –, blieb nur noch wenig übrig, womit das Leben der Menschen in den Entwicklungsländern, die unter diesen Kriegen litten, verbessert werden konnte. Der Schwerpunkt lag auf der Politik und dem Kampf, als wäre Entwicklung ein separates, peripheres Thema, das man sich vom Leib halten konnte.
Am deutlichsten sprang mir die Absurdität dieser Vorstellung ins Auge, als ich in den neunziger Jahren in die Abteilung für friedenssichernde Einsätze eintrat. Der Kalte Krieg war vorüber, aber die Entwicklungsarbeit dämmerte immer noch in einer von der Politik getrennten Welt dahin. Die Erfahrungen in Bürgerkriegsländern ließen jedoch nur den Schluss zu, dass die Entwicklung ein integraler Hauptbestandteil jeder erfolgversprechenden Strategie zur Überwindung von Konflikten war. Aber das Engagement für die Einwicklung stand nicht wirklich im Zentrum der Friedenssicherung. Vielmehr wurden militärische, politische und Entwicklungsfragen weiterhin getrennt behandelt.
Bei der friedenssichernden Mission in Somalia zum Beispiel stand für das militärische Vorgehen ein Budget von 1,5 Milliarden Dollar zur Verfügung. Für die humanitäre Seite des Einsatzes setzten wir einen Wunschetat von 150 Millionen Dollar fest, doch selbst dieser
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