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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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meine Karriere als afrikanischer Akademiker nicht beginnen. Für meinen Vater war meine Ablehnung eine große Enttäuschung. »Nimm die Stelle an«, riet er mir, »und kämpfe von innen für die Gleichbehandlung.« Ich erwiderte, dass ich dem Unternehmen dadurch allen Grund geben würde, mich weiterhin als Menschen zweiter Klasse zu behandeln.
    Zu jenem Zeitpunkt hatte ich bereits zwei Jahre in Genf verbracht, zuerst als Aufbaustudent an der Hochschule für internationale Studien und dann als Angestellter der WHO , als P-1, Stufe 1 (dem niedrigsten Angestelltenrang im System der Vereinten Nationen). In Genf hatte ich ein angenehmes, weltläufiges Umfeld vorgefunden, und als jemand, der mit 24 Jahren bereits in drei unterschiedlichen Kulturen gelebt hatte – der afrikanischen, amerikanischen und europäischen –, dämmerte mir, dass das Gemeinwesen für mich etwas anderes bedeuten würde als für die Generation meines Vaters.
    Gleichwohl war der Wunsch, etwas für die Zukunft meines Kontinents zu tun, ein wiederkehrendes Thema meines Lebens und meiner Karriere. 1965, nach drei Jahren bei der WHO in Genf, wechselte ich in die Wirtschaftskommission für Afrika, eine UN -Behörde, deren Zweck die Förderung der regionalen Integration und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit war. Addis Abeba, wo sich ihr Sitz befand, erinnerte mich an den ghanaischen Unabhängigkeitskampf in meiner frühen Jugend. Es war ein Ort ganz im Bann der afrikanischen Einheit, die von einer neuen Generation afrikanischer Führer mit Verve angestrebt wurde. Damals befand man sich in den Anfängen der afrikanischen Einheit, deren treibende Kraft vor allem die Vision Kwame Nkrumahs war.
    Als 1963 die Organisation Afrikanischer Einheit ( OAU ) gegründet wurde, bestand sie aus 33 Mitgliedern. Im Lauf der Zeit kamen weitere Staaten hinzu, da immer mehr von ihnen unabhängig wurden. Allein 1960 hatten 17 Staaten ihre Unabhängigkeit erhalten. Der Nachfolgeorganisation Afrikanische Union ( AU ) gehören heute 54 Staaten an. Während meiner Zeit in Addis Abeba sah ich nicht nur neue Präsidenten und Ministerpräsidenten kommen und gehen, sondern auch Anführer von Befreiungsbewegungen und Freiheitskämpfern. All diese Führer kamen zusammen, um die Zukunft Afrikas zu planen und die Befreiung des gesamten Kontinents voranzutreiben. Man konnte die Spannung in der Luft förmlich spüren; für einen jungen Mann war es eine aufregende Zeit, die einen nachhaltigen Eindruck auf mich machte.
    Am anderen Ende der Stadt beschäftigten wir uns im Sitz der Wirtschaftskommission für Afrika mit der Forschung und Ausarbeitung von Ideen für die Wirtschaftsentwicklung des Kontinents, einschließlich der regionalen und subregionalen Integration oder wenigstens Kooperation. In unseren Diskussionen ging es insbesondere um die Verbesserung der Infrastruktur, um Stromversorgung, Straßenbau und den Ausbau des Eisenbahnnetzes, damit die Züge ungehindert über die Grenzen rollen konnten. Ich zweifelte damals nicht im Geringsten daran, dass Afrika mit der richtigen Führung und Verwaltung einen steilen Aufschwung vor sich hatte.
    Es ist ein vielsagendes, wenngleich tragisches Zeichen für die vielen afrikanischen Fehlstarts auf dem Weg zur Entwicklung, dass heute Energie und Infrastruktur allgemein als die beiden größten Entwicklungshindernisse in Afrika betrachtet werden. Ruft man sich in Erinnerung, wie klar dies schon vor vierzig Jahren erkannt wurde, so begreift man, welch hohen Preis die Afrikaner seither für die schlechte Arbeit ihrer Regierungen gezahlt haben. Aber es ist eine Sache, wenn junge, idealistische Akademiker Fortschrittshindernisse identifizieren und die Mittel zu ihrer Überwindung bestimmen; etwas ganz anderes ist es, politische Führer zu finden, die über den eigenen Tellerrand blicken und die Ressourcen ihrer Gesellschaft zur Förderung des Gemeinwohls verwenden.
    Nachdem ich 1971 am Massachusetts Institute of Technology als Sloan-Stipendiat in einem Forschungsjahr mein Studium mit einem Master abgeschlossen hatte, kehrte ich zur UNO in Genf zurück. Gleichzeitig sah ich mich jedoch weiter nach einer Möglichkeit um, nach Afrika zu gehen. Tatsächlich bot man mir bald darauf die Leitung der zum Tourismusministerium gehörenden Ghanaischen Gesellschaft für Tourismusentwicklung an. Im November 1974 trat ich diesen Posten an. Ziel des Unternehmens war es, den Tourismus in Ghana auszuweiten. Um Touristen anzuziehen und zum Einkaufen zu bewegen, sollte

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