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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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von Informationen benutzt, die nichts mit der Entwaffnung zu tun hatten, zunehmend geschwächt. Die Iraker griffen dies auf und gewannen die Unterstützung Russlands, das nun ebenfalls die UNSCOM im Allgemeinen und Butler im Besonderen für nicht vertrauenswürdig erklärte.
    Als daraufhin der Irak neue Forderungen in Bezug auf Zusammensetzung, Einsatzort und Hauptaufgaben der UNSCOM aufstellte, riefen mich Albright und Sandy Berger gemeinsam an, um mir vorzuhalten, dass dies ein Angriff auf die UNO sei, und da ich »für die Welt das Gesicht der UNO « sei, käme es jetzt auf meine Reaktion an und nicht auf die des Sicherheitsrats. Die von mir mit Saddam ausgehandelte Vereinbarung sei gebrochen worden, und wenn ich die irakischen Forderungen in der nächsten Sicherheitsratssitzung nicht »in den Wind schießen« würde, wie Berger es ausdrückte, würden die Vereinigten Staaten allein handeln. Ich dachte automatisch daran, in meiner öffentlichen Reaktion die dem Sicherheitsrat zukommende führende Rolle zu unterstreichen, doch dieses Argument zog gegenüber US -Repräsentanten nicht. Mir wurde nicht zum letzten Mal vor Augen geführt, was ich mit meinem interventionistischen Verständnis der Rolle des UN -Generalsekretärs erreichte: Obwohl ich dem Sicherheitsrat unterstand, sah die Realität so aus, dass in manchen Weltgegenden in solchen Krisenmomenten meine Stimme mehr Gewicht besaß als die Verlautbarungen und Resolutionen eines fernen und unpersönlichen Großmächteklubs.
    In meiner Reaktion auf die verfahrene Situation räumte ich ein, dass nach siebenjährigem Ringen immer noch keine Aussicht auf eine für beide Seiten akzeptable Lösung bestand. Deshalb schlug ich vor, das Verhältnis der UNO zum Irak, einschließlich der Rolle der UNSCOM , einer umfassenden Revision zu unterziehen. Während die Amerikaner dies ablehnten – nach ihrer Ansicht käme es einem »Kuhhandel« mit Saddam gleich –, erkannten die anderen Sicherheitsratsmitglieder, einschließlich Großbritanniens, wie wichtig es war, den Irak in einen Prozess einzubeziehen, der ihn wieder dazu bringen würde, die Forderungen der Weltgemeinschaft zu erfüllen, und damit einen Weg zur Lösung der Krise eröffnen würde, anstatt in einer Dauerkrise zu enden. Im Oktober erteilte der Sicherheitsrat dem britischen UN -Botschafter Jeremy Greenstock einmütig den Auftrag, auf der Grundlage der von mir aufgestellten Bedingungen Gespräche mit Aziz aufzunehmen. Doch diese scheiterten ein ums andere Mal am tiefen Misstrauen zwischen Bagdad und der UNSCOM . Die Pattsituation zog sich einen weiteren Monat hin, obwohl Greenstock sogar erneut versuchte, die Iraker davon zu überzeugen, dass eine neue Sicherheitsratsresolution den Weg zur Aufhebung der Sanktionen ebnen würde.
    Ein Jahr voller zermürbender diplomatischer Anstrengungen, den Irak zur Erfüllung der Forderungen der Vereinten Nationen zu bewegen, stand vor einem hässlichen – und chaotischen – Ende. Am 11. November wurde ich während eines offiziellen Besuchs in Marokko früh um 3.30 Uhr vom Telefon geweckt. Mohammed El Baradei, der Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Organisation, rief mich an, um mir mitzuteilen, dass die UNSCOM ihre Mitarbeiter aus Bagdad abzog. Butler hatte sich nicht bei mir gemeldet, deshalb rief ich Madeleine Albright an, um herauszufinden, was Washington mit ihm vorhatte. Sie konnte mir nur bestätigen, dass die Vereinigten Staaten Familienangehörige aus Jerusalem, Tel Aviv und Kuweit-Stadt heimholten. Ob ich eine Erklärung zum Abzug der UNSCOM abgeben würde, wollte sie von mir wissen.
    Um Butlers Ankündigung die größtmögliche Wirkung zu verleihen, stimmten die Vereinigten Staaten ihre Reaktion mit Großbritannien und Frankreich ab. Eine halbe Stunde nach dem Telefongespräch mit Albright, während ich mit meiner vertrauten Assistentin Elisabeth Lindenmayer unsere Optionen besprach, rief sie erneut an, um zu erfahren, ob ich die von den USA , Großbritannien und Frankreich für mich entworfene Erklärung erhalten hatte, in der die irakische Unnachgiebigkeit verurteilt wurde, und ob ich sie veröffentlichen würde. Ich erwiderte so höflich, wie es mir um 4.30 Uhr früh möglich war, dass ich durchaus in der Lage sei, selbst eine Erklärung zu formulieren, die ich dann zum meiner Meinung nach passenden Zeitpunkt herausgeben würde. Ich war immer noch wütend über Butlers unprofessionelles Verhalten und nicht dazu aufgelegt, seinen Herren gefällig

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