Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
rede ich nicht. Dem gebe ich nicht die Hand.« Denn damit könnte man Tausende und Millionen von Menschen zum Tod oder zu weiterer Verfolgung verurteilen. Ich versuche die Staatsführer dazu zu bewegen, das Richtige zu tun. Dabei mag ich scheitern, aber es ist meine Pflicht, es zu versuchen, es zu probieren.
Gegenüber dem Sicherheitsrat, mit dem ich kurz nach meiner Pressekonferenz zusammenkam, wies ich ausdrücklich auf die Risiken hin. Ich führte aus, dass meine Mission vom Rat autorisiert war und dass ich der UNSCOM neuerlich den umfassenden, uneingeschränkten Zugang zu den präsidialen Anwesen gesichert und deren Position gegenüber den Irakern gestärkt hätte. Die Verantwortung für die Erfüllung der Absprache läge nun voll und ganz bei den irakischen Behörden. »Ich mache mir keine Illusionen über den grundlegenden Wert dieser und ähnlicher Vereinbarungen«, erklärte ich. »Erfüllte Zusagen sind die einzigen, die zählen … Diese Vereinbarung ist ein Test für den Willen der irakischen Führung, ihr Wort zu halten … Wenn dieser Versuch, durch Verhandlungen Folgsamkeit zu erreichen, durch Ausflüchte oder Täuschungsmanöver vereitelt wird, bekommt die Diplomatie möglicherweise keine zweite Chance.« Das, wonach der Irak am meisten verlangte – Würde und Respekt –, ließ sich am besten durch eine Reihe gut vorbereiteter Verhandlungen, in denen ein gewisses gegenseitiges Vertrauen aufgebaut werden konnte, demonstrieren.
Entscheidend war außerdem, dass man den Irakern Licht am Ende des Tunnels zeigte, nicht, wie Kritiker bemängelten, weil irgendjemand von uns Saddam gegenüber zu nachsichtig war oder ihm einen Ausweg bieten wollte, sondern weil wir wussten, dass die Iraker einen Anreiz brauchten, um bei einem derart intensiven Inspektionsregime zu kooperieren. Warum hätten sie sonst weiterhin eine solch beispiellose Prüfung zulassen sollen? Dass damals in Washington gelegentlich davon gesprochen wurde, man werde die Sanktionen gegen Saddam unter keinen Umständen aufheben, war nicht gerade hilfreich. Die USA und ihre Verbündeten hatten jedes Recht, in ihrem nationalen Interesse diese Position zu vertreten. Aber sie konnten nicht erwarten, dass die Vereinten Nationen, deren Ziel die friedliche Entwaffnung des Irak war, sie teilten. Genauso wenig dürfte ihnen entgangen sein, dass sie es Saddam zu behaupten ermöglichten, das Ergebnis stehe von vornherein fest, ganz gleich, was er tue. Wir brauchten die Inspektionen, um die weiterbestehende Irakkrise zu lösen. Bis dahin war der Golfkrieg noch nicht wirklich zu Ende.
Die gemeinsame Absichtserklärung, die ich mit Saddam ausgehandelt hatte, wurde vom Sicherheitsrat einstimmig gebilligt. Sogar Butler erklärte im Fernsehen, auf dieser Grundlage könne die UNSCOM ihre Arbeit erfolgreich durchführen, vorausgesetzt, der Irak setze die Vereinbarung gewissenhaft um. Meine Bagdader Mission in der Frühzeit meiner Amtszeit zeigte, welche Möglichkeiten einem UN -Generalsekretär offenstanden, wenn er zum Eingreifen bereit war, nachdem alle anderen diplomatischen Mittel versagt hatten. Die Vereinbarung verschaffte uns sechs Monate Zeit für weitere Inspektionen – die sich allerdings fast von Anfang an als schwierig und umkämpft herausstellten.
Anfang August 1998 spitzte sich die Krise zu. Die UNSCOM erweckte den Eindruck, als würden ihre Inspektionen immer chaotischer. Am Nachmittag des 3. August rief mich Butler an, um mir über ein Treffen mit Tariq Aziz am selben Tag zu berichten. Offenbar hatten die Iraker die strategische Entscheidung getroffen, die Sache zu forcieren: Sie hatten Butler gesagt, er solle dem Sicherheitsrat umgehend mitteilen, dass der Irak entwaffnet sei und über keine Massenvernichtungswaffen mehr verfüge und dass deshalb über die Sanktionen neu entschieden werden müsse. Als Butler, in diesem Fall korrekt, erwiderte, dass er dies ohne eine Verifikation nicht tun könne, beendete Aziz das Gespräch mit der Drohung: »Entweder Sie sagen dem Sicherheitsrat die Wahrheit – dass wir keine solchen Waffen mehr haben –, oder wir werden weder mit Ihnen noch mit Ihren technischen Mitarbeitern noch einmal zusammenkommen.«
Damit hatte Aziz sein Land erneut an den Rand des Abgrunds gebracht. Butler konnte die irakische Forderung selbstverständlich nicht erfüllen, aber seine Position wurde durch den auch aus Kreisen der UNSCOM selbst vorgebrachten Vorwurf, die Mission werde durch ausländische Geheimdienste zur Beschaffung
Weitere Kostenlose Bücher