Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
für die Vereinigten Staaten. Der Sicherheitsrat verabschiedete in einer außerordentlich raschen diplomatischen Anstrengung einstimmig zwei Resolutionen: Die eine bekräftigte das naturgegebene Recht der Vereinigten Staaten auf Selbstverteidigung gegen die Taliban in Afghanistan, die Osama bin Laden und al-Qaida Unterschlupf gewährt und geholfen hatten, und durch die andere wurde ein neues Gremium zur Terrorismusbekämpfung unter dem Dach des Sicherheitsrats geschaffen, das die globale Reaktion auf eine Bedrohung koordinieren sollte, die eine neue, angsteinflößende Form angenommen hatte.
Drei Monate später, als ich für unsere Bemühungen um die Neubelebung der Vereinten Nationen – und, wie es in der Begründung hieß, weil wir klargemacht hatten, »dass Souveränität kein Schutzschild sein kann, hinter dem Mitgliedsstaaten ihre Rechtsbrüche verbergen« – den Friedensnobelpreis entgegennahm, begann ich meine Dankesrede mit der Beschreibung eines in Afghanistan geborenen Mädchens und sprach davon, dass wir das 21. Jahrhundert durch ein Feuertor betreten hätten. Ich wollte das Andenken der am 11. September Verstorbenen ehren, zugleich aber den Kampf gegen den Terrorismus in den breiteren Kontext der vor der Weltgemeinschaft stehenden Herausforderungen stellen, einschließlich der Sicherung der Menschenrechte des afghanischen Volks und seiner Chancen auf Frieden und Entwicklung.
Nachdem die Taliban Ende 2001 nach kurzem Kampf gestürzt worden waren, erhob sich die Frage, wer Afghanistan regieren sollte, und wie. Auf diesem Gebiet besaßen die Vereinten Nationen nicht nur große Erfahrung, sondern in Gestalt von Lakhdar Brahimi auch einen ausgezeichneten diplomatischen Troubleshooter, der bestens dafür geeignet war, eine neue Regierung aufzubauen. »Die UNO wird in Afghanistan ohne echte Unterstützung von irgendeiner Seite alleingelassen«, hatte er Mitte 1999 als mein Sonderbeauftragter für Afghanistan entmutigt festgestellt. Ich hatte ihn 1997 am Anfang meiner Amtszeit ernannt, um zu sondieren, ob die Vereinten Nationen dieser verwüsteten und international vernachlässigten Nation Frieden bringen konnten. Aber nach zwei Jahren und einer Reihe fruchtloser Anstrengungen hatte er keinerlei Hoffnung auf ein Ende des Krieges.
Damals hatten wir die UN -Mitglieder wiederholt vor den ernsten Folgen der Geschehnisse in Afghanistan gewarnt. So wies ich die Generalversammlung im November 1997 darauf hin, dass
»äußere Akteure … ein Feuer entfacht haben, das, wie ihnen bewusst sein sollte, auf Dauer kaum auf Afghanistan beschränkt bleiben dürfte. Tatsächlich breitet sich dieses Feuer bereits über die Grenzen Afghanistans aus und stellt in der Form von Terrorismus, Banditentum, Rauschgifthandel, Flüchtlingsströmen und zunehmenden ethnischen und religiösen Spannungen für die Region und darüber hinaus eine ernste Gefahr dar.«
Einer der Akteure, die mit dem Feuer spielten, war Pakistan. Es nahm gegenüber dem internationalen Kooperationsprozess, den wir in Gestalt der »Sechs plus Zwei«-Kontaktgruppe (der die sechs Nachbarländer Afghanistans sowie die USA und Russland angehörten) in Gang gesetzt hatten, weiterhin eine ambivalente Haltung ein und unterstützte aus Furcht vor der Alternative – einer proindischen Regierung – die Taliban.
Obwohl wir 1997 eine Verschärfung der durch den afghanischen Bürgerkrieg verursachten regionalen Probleme voraussagten, hätte ich mir nie vorstellen können, dass dieses Feuer vier Jahre später an einem heiteren Septembermorgen in New York, nur wenige Kilometer vom Sitz der UNO entfernt, auflodern würde. Als das geschah und der Sicherheitsrat eine internationale Koalition ermächtigte, das Talibanregime mit Gewalt zu stürzen, bestand nie ein Zweifel über den Ausgang der militärischen Konfrontation. Weniger klar war, wie man Afghanistan wieder auf die Beine helfen konnte. Wie sollte das Land nach einem Vierteljahrhundert des Krieges und einem Jahrzehnt ohne eine landesweit anerkannte Regierung im Anschluss an eine Militärkampagne regiert und wiederaufgebaut werden?
Es bildete sich rasch ein Konsens darüber heraus, dass die Vereinten Nationen die Legitimität und Glaubwürdigkeit besaßen, die afghanischen Gruppierungen zusammenzubringen, und so, wie alle Blicke sich auf die UN richteten, wandte ich mich wieder einmal an Brahimi.
Unsere früheren Bemühungen, einen Frieden in Afghanistan zu vermitteln, erwiesen sich jetzt als nützlich, denn nach der
Weitere Kostenlose Bücher