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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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dem saudischen Außenminister Prinz Saud sprach, warnte er vor einem »potentiell enormen Chaos im Irak«. Das Land werde ein »Zufallsgewinn für Terroristen« sein, denn sie könnten dort »hineingehen und ihre Samen legen«.
    Washingtons Entscheidung, Powell am 5. Februar im Sicherheitsrat den amerikanischen Standpunkt vortragen zu lassen, war gewagt. Aber sie unterstrich fraglos die zentrale Bedeutung der Vereinten Nationen als unentbehrliches Forum für die Behandlung von den Frieden und die Sicherheit der Welt betreffenden Fragen. Ich war beeindruckt von Powells Darstellung der amerikanischen Sicht, aber höchst beunruhigt über ihren Inhalt. Er führte keinen einzigen Beweis nach Art des »rauchenden Colts« an, obwohl er letztlich behauptete, solche Beweise zu besitzen. Darüber hinaus hatte ich nicht als Einziger den Eindruck, dass er selbst von dem, was er vortrug, nicht restlos überzeugt war. Er schien es nur aus einer Raison d’état zu vertreten. Während die anderen Außenminister der Mitgliedsstaaten des Sicherheitsrats in der offiziellen Sitzung auf Powells Rede mit vorbereiteten Erklärungen reagierten, fand die schärfste Diskussion während des Mittagessens statt, das ich anschließend für sie gab.
    Der deutsche Außenminister Fischer begann mit der Feststellung, es herrsche »völlige Einigkeit darüber, dass der Irak sich entwaffnen muss, und zwar aus eigenem Antrieb«. Ich fügte hinzu, dass die Inspektoren jetzt eine klare Aufgabenliste hätten und der Zeitpunkt kommen könnte, an dem der Sicherheitsrat, trotz aller vorherigen Resolutionen, »über einen klaren Bruch und über ernste Konsequenzen entscheiden muss«. Dann werde man »auf der Grundlage dessen, was die Inspektoren sagen, harte Entscheidungen treffen« müssen.
    Die Spannung zwischen Powell und Villepin war deutlich zu spüren. Powell fragte seinen französischen Kollegen in gereiztem, verärgertem Tonfall, was er mit seiner in der Sitzung vorgebrachten Äußerung, den Inspektoren müsste mehr geholfen werden, genau gemeint habe. Daraufhin begann Villepin einen längeren Monolog über die Alternativen zu einem Konflikt und die Tatsache, dass der Irak lediglich einer von vielen aufrüstenden Staaten sei. »Wir sollten einen anderen Weg als eine Militäraktion finden«, mahnte er. »Wir glauben nicht, dass eine Militäraktion derart rechtschaffen sein kann, dass sie im Nahen Osten eine Demokratie aufbaut.« Beim nächsten Schritt, wie immer er aussehe, müsse die UNO die Führung übernehmen, da »kein Land sowohl den Krieg als auch den Frieden gewinnen« könne. »Ich glaube nicht«, fuhr Villepin fort, »dass wir auf der Grundlage von Vermutungen und Ausflüchten einen Krieg beginnen können. Man hat mich gefragt, wie lange ein Hinauszögern mit Blick auf die Inspektionen akzeptabel sei. Ich aber frage: Wie lange wird es dauern, den Frieden wiederherzustellen? Ich frage: Wie wird sich dies auf den Terrorismus auswirken und wie auf andere aufrüstende Staaten? Wir sind mit anderen Themen konfrontiert: Nordkorea, dem Iran, dem Nahen Osten.« Er schloss mit der Feststellung, dass Frankreich einem »Automatismus« nicht zustimmen werde.
    Man konnte Powell ansehen, dass er hin- und hergerissen war zwischen seiner Verärgerung über Villepin und der Bewunderung für dessen Beredsamkeit und die Art, wie er gegen den Krieg plädiert hatte. Gleichwohl erwiderte er scharf: »Ich habe nicht nach dem Einsatz von Gewalt gefragt, sondern danach, was Sie mit der Erhöhung der Zahl der Inspektoren meinten.«
    An diesem Punkt griff der russische Außenminister Iwanow ein, um die Themen zu trennen – in die Fragen nach den Massenvernichtungswaffen, nach dem Wesen von Saddams Regime und nach dem, was er »Emotionen« nannte. Als Nebenbemerkung fügte er hinzu, der pakistanische Präsident Pervez Musharraf habe in Moskau beim ersten bilateralen Gipfeltreffen seit dreißig Jahren erklärt, er wisse nicht, wo al-Qaida stärker vertreten sei, in Pakistan oder im Irak (diese Bemerkung veranlasste den pakistanischen Außenminister, zu einer leidenschaftlichen Verteidigung seines Landes auszuholen). Fischer versuchte die Parteien zusammenzubringen, indem er Iwanow aufforderte, den russischen Einfluss auf die Iraker geltend zu machen. »Sie haben mit ihnen zusammengearbeitet, Igor«, sagte er, worauf der Angesprochene erwiderte, man habe auch mit Miloševi ć zusammengearbeitet, was wiederum Powell zu dem Einwurf provozierte: »Igor, Sie müssen sich

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