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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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zur oder Agenda der Friedenserzwingung. Schließlich wurde sie unter der expliziten Bedingung in Gang gesetzt, dass ihre Durchführung und Fortdauer von der Einhaltung des Arusha-Abkommens durch die RPF und die Regierung Habyarimana abhingen. Jeder Vertragsbruch hätte die Beendigung des Einsatzes zu Folge. Durch diese Klausel sollte die Mission vor jeglicher schmutzigen Verwicklung in einen Bürgerkrieg, wie sie in Somalia und Bosnien mit den bekannten problematischen Folgen geschehen war, geschützt werden.
    Wir waren uns der Geschichte ethnischer Gewalt in Ruanda bewusst, ebenso der Tatsache, dass im benachbarten Burundi große ethnische Mordaktionen stattgefunden hatten. Aber dies weckte bei uns nicht die ernsthafte Sorge, dass es in Ruanda zum Zusammenbruch kommen könnte. Anders als in Burundi hatten die Konfliktparteien der Vereinbarung zugestimmt, dass die UNO die ausgehandelten Friedensvereinbarungen schützen sollte. Aus der Sicht herkömmlicher friedenssichernder Missionen schien der Einsatz in Ruanda wesentlich weniger gefährlich zu sein als andere damalige Missionen.
    Wir standen mit unserem Optimismus nicht allein da. Die internationale Entwicklungsarbeit hatte sich seit Jahren in Ruanda engagiert, und bis zum Ende, bis März 1994, wurde Ruanda in Berichten führender Entwicklungshilfeorganisationen geradezu als Musterland beschrieben. Doch die Weltgemeinschaft hatte nur eine vage Vorstellung von der Gesellschaft und Geschichte des Landes und von den Kräften, die dort am Werk waren. Wie ein CIA -Mitarbeiter später zugab, hatte seine erste Aufgabe, als er 1990 in Ruanda stationiert worden war, darin bestanden, das Land auf der Weltkarte ausfindig zu machen. Auch wir in der DPKO besaßen keine eigenen, fundierten Erfahrungen in dem Land. Der Sicherheitsrat hatte uns über ein Dutzend Einsätze in aller Welt anvertraut, die wir mit unserem winzigen Mitarbeiterstab zu managen hatten. Ein nur begrenztes Wissen über die Länder, in denen die Einsätze durchgeführt wurden, war zu einer unvermeidlichen Bedingung unserer Arbeit geworden.
    Trotz des begrenzten Mandats, das lediglich traditionelle Friedenssicherung und die Überwachung des Waffenstillstands vorsah, hatte UNAMIR einen schlechten Start. Ende Dezember 1993 waren die Kräfte der Truppe völlig unzureichend. In einem UNAMIR -Bericht vom 30. Dezember wurden ernste Mängel aufgezählt. So war kein Land bereit gewesen, ein geschlossenes, 800 Mann starkes Infanteriebataillon zur Verfügung zu stellen, das für die Sicherung des Gebiets von Kigali nötig gewesen wäre. Deshalb musste man sich mit zwei kleineren Bataillonen behelfen, einem belgischen mit 398 Mann und einem aus Bangladesch, das angeblich aus 370 Mann bestand, von denen jedoch nur 266 eingetroffen waren. Darüber hinaus waren weder gepanzerte Mannschaftsfahrzeuge noch Hubschrauber vorhanden, so dass, wie der Bericht feststellte, sowohl deren »Abschreckungsfähigkeit« als auch »eine mobile Reserve für Kigali und die entmilitarisierte Zone« fehlten, »die im Bericht des Generalsekretärs als entscheidendes Erfordernis vorgesehen waren«. Ein weiterer Punkt in der umfangreichen Mängelliste betraf die Tatsache, dass Techniker und Logistiker wegen der großen Personalknappheit als Infanteristen eingesetzt werden mussten.
    Eigentlich hätte UNAMIR über 22 gepanzerte Mannschaftsfahrzeuge und acht Hubschrauber verfügen sollen, um flexibel reagieren zu können. Aber kein Land war bereit, Hubschrauber abzustellen, und schließlich erhielt die Truppe auch nur acht gepanzerte Mannschaftsfahrzeuge, die von der UN -Mission in Mosambik abgezweigt wurden. Als diese eintrafen, befanden sie sich in sehr schlechtem Zustand, und nur fünf waren einsatzbereit; von denen wiederum blieben einige häufig liegen und mussten dann von den verbleibenden gepanzerten Mannschaftswagen abgeschleppt werden. Somit war die demütigende Schwäche der UN -Friedenstruppe in Kigali für die ruandische Regierung nur allzu offensichtlich. Jahre später erzählte mir Paul Kagame, der Präsident Ruandas und Vorsitzende der RPF , ihm sei damals klar gewesen, dass Dallaire nicht die notwendigen Mittel besessen habe, um seine Mission zu erfüllen. Er habe nicht einmal darauf vertraut, dass der General ihn bei offiziellen Besuchen im Feldhauptquartier der UN -Truppe zu schützen vermochte.
    In diesem Kontext erhielten wir am 11. Januar 1994, weniger als zwei Wochen nach dem niederschmetternden UNAMIR -Bericht über die

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