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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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während draußen die Häuser von Abuja an uns vorbeiflogen. »Er fährt ziemlich schnell«, stellte ich schließlich mit einem Blick auf den gestresstenTachometer fest.
    »Das stimmt«, erwiderte Lamin höflich mit einem Nicken, als würde er eine Bemerkung über das Wetter bestätigen. Plötzlich fand ich das alles absurd: Wir sprachen Französisch, damit wir nicht verstanden werden konnten, tauschten aber banale Bemerkungen über die Fahrgeschwindigkeit aus, als würden wir den Geschmack unseres Frühstückstees kommentieren.
    »Was ist das im Kofferraum?«, fragte ich.
    »Ich konnte beim Einsteigen einen Blick darauf werfen«, antwortete Lamin und sah mich beklommen an, obwohl der Gambier weiterhin sein übliches gutgelauntes Funkeln in den Augen hatte. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich in jedem Auto ein schweres Maschinengewehr befindet.«
    Etwas früher an diesem Abend im Juni 1998, um 21.30 Uhr, hatte ein unbekannter nigerianischer Geheimdienstoffizier – ein Agent des brutalen Militärregimes des jüngst verstorbenen Generals Sani Abacha, das seit fünf Jahren an der Macht war – unangekündigt an die Tür von Lamins Hotelzimmer in Abuja geklopft. »Sir«, sagte er, »ich bin hier, um Sie zu informieren, dass der Generalsekretär sich sofort mit Mr. Moshood Abiola treffen soll.«
    Als Lamin mein Zimmer betrat, war klar, dass etwas vor sich ging. »Kommen Sie, um mir gute Nacht zu wünschen?«, fragte ich lächelnd.
    »Ich fürchte, es wird keine gute Nacht«, erwiderte er, bevor er mir mitteilte, was uns bevorstand.
    Moshood Abiola war 1994 festgenommen worden und hatte seither in Einzelhaft gesessen. Zuvor war er ein millionenschwerer Geschäftsmann gewesen, der einen äußerst extravaganten Lebensstil pflegte. Erworben hatte er sein Vermögen mit Hilfe langjähriger enger Beziehungen zu den Militärregierungen des Landes. Als 1993 kurzzeitig der Versuch unternommen wurde, die Demokratie einzuführen, bewarb er sich um das Präsidentenamt und schien die Wahl tatsächlich gewinnen zu können. Doch die Militärregierung unter Präsident Ibrahim Babangida verhinderte die letzte, volle Auszählung der Stimmen, obwohl sie selbst die Wahl angesetzt hatte. Abiola gab sich stillschweigend geschlagen, aber die Wahl hatte seine Beziehung zur Regierung verändert. Er hatte in dem ethnisch und religiös gespaltenen Land, dem bevölkerungsreichsten Afrikas, eine beispiellose, von vielen Seiten getragene Welle der Unterstützung ausgelöst.
    Im weiteren Verlauf des Jahres wurde Präsident Babangida gestürzt. General Sani Abacha, der an seine Stelle trat, löste die Institutionen auf, die geschaffen worden waren, um dem Land einen demokratischen Anstrich zu geben – das Parlament, die dreißig Bundesstaatsregierungen und die lokalen Räte –, und verbot sämtliche Parteien. Im anschließenden Chaos trat Abiola 1994 erneut an die Öffentlichkeit und verkündete mit Blick auf die nicht anerkannte Wahl von 1993 vor einer riesigen Menschenmenge in Lagos, dass er der legitime Führer und Präsident Nigerias sei.
    Er wurde umgehend verhaftet, des Hochverrats angeklagt und für die nächsten vier Jahre in Einzelhaft gesteckt. In jener Zeit verweigerte man ihm sogar das Radiohören, und seit 1995 sah er weder Familienangehörige, noch konnte er mit einem anderen Menschen sprechen; aus den Zeitungen zeigte man ihm nur einen einzigen Artikel: eine Meldung über die Ermordung einer seiner Frauen im Jahr 1996. Als sonstige Lektüre hatte er nur eine Bibel und einen Koran.
    Abacha war ein illegaler Herrscher, wie er im Buche steht, extrem korrupt und zu einem exzentrischen, zügellosen Verhalten neigend, das in diesem Ausmaß nur aufgrund des Ölreichtums und der Vetternwirtschaft des Landes möglich war. Er machte vage Versprechungen, demokratische Wahlen abzuhalten, auch mir selbst gegenüber, nachdem ich 1997 UN -Generalsekretär geworden war, löste sie aber nie ein. Echte und mutmaßliche Opponenten des Regimes wurden verhaftet, so dass die Zahl der politischen Gefangenen enorm zunahm, ebenso wie die Zahl der Opfer politisch motivierter Morde durch Angehörige der Sicherheitskräfte.
    Doch dann verstarb Abacha am 8. Juni 1998 überraschend, und am nächsten Tag trat General Abdulsalam Abubakar seine Nachfolge an. Ich hatte Abubakar bereits kennengelernt, als er Abacha im Januar 1997 zu einem Gipfeltreffen in Lomé in Togo begleitete. Er hatte einst bei der UNIFIL im Libanon gedient, so dass wir Berührungspunkte auf

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