Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
zugesagt habe, Abiola und die anderen politischen Gefangenen sehr bald freizulassen. Ob diese Ankündigung seine Glaubwürdigkeit stärken oder untergraben würde, hänge von ihm ab.
In der Pressekonferenz kurz vor unserem Abflug gab ich die angekündigte Erklärung ab. Darüber hinaus enthüllte ich, dass Abiola mir gesagt hatte, er habe nicht die Absicht, Anspruch auf die Präsidentschaft zu erheben. Damit räumte ich die letzte Rechtfertigung aus dem Weg, die Abubakar noch anführen konnte, um Abiola in Haft zu behalten, und nahm zugleich dessen radikaleren Anhängern den Wind aus den Segeln. Außerdem versuchte ich jene Nigerianer zu beruhigen, die Abiolas Freilassung mit Bangen entgegensahen.
Nach unserer Abreise schien alles für Abiolas Freilassung bereit zu sein. Doch eine Woche später ereignete sich eine Tragödie: Während eines Gesprächs mit Thomas Pickering, Unterstaatssekretär im US -Außenministerium, brach Abiola zusammen und starb. Trotz der ernsten Absichten, die Abubakar zu haben schien, war der Zeitpunkt verdächtig. Aber ein internationales Pathologenteam stellte fest, dass der Zusammenbruch die Folge eines Herzleidens war und kein Verbrechen vorlag – wenn man, wie ich in Gedanken hinzufügte, davon absah, dass Abiola während seiner Haft eine angemessene medizinische Versorgung verwehrt worden war. Auf jeden Fall war er ein weiteres Opfer der systematischen Verletzung von Menschenrechten, die unter persönlichen und repressiven Regimen unvermeidlich ist.
Als wir nach der Pressekonferenz den Heimflug antreten wollten, stellten wir fest, dass die Nigerianer uns diesmal ein anderes Flugzeug als beim Hinflug zur Verfügung gestellt hatten, eine alte, abgenutzte und nicht sehr sicher aussehende Maschine. Bei ihrem Anblick wandte sich Kieran Prendergast, mein kluger, humorvoller Untergeneralsekretär für Politische Angelegenheiten, zu mir um und lachte aus seinem Bart hervor: »Nun, Sie haben getan, wofür sie Sie brauchten. Wen kümmert jetzt noch, was aus Ihnen wird?«
Tatsächlich verklemmten sich eine Viertelstunde nach dem Start die Klappen, und der Pilot teilte uns mit, dass wir umkehren und ein anderes Flugzeug nehmen müssten.
Für Nigeria war es jedoch kein Fehlstart. Abubakar hielt sein Wort. In den folgenden Monaten wurden die politischen Gefangenen freigelassen, und das Unterdrückungssystem des Militärregimes wurde jeden Tag weiter gelockert. Am Ende des Jahres fanden Wahlen zur Nationalversammlung statt; Abubakar trat, wie er es immer gesagt hatte, freiwillig zurück, und im Mai 1999 fanden Präsidentschaftswahlen statt. Die Abstimmung brachte den reformistischen Olusegun Obasanjo ins Amt, und das neue demokratische System hat bis heute Bestand.
Die Herausforderung afrikanischer Regierungskunst: große Männer kontra Rechtsstaatlichkeit
Nigerias Übergang zur Demokratie ist einer von vielen Belegen dafür, dass Wahlen allein nicht ausreichen, um eine Gesellschaft in eine wirkliche, funktionierende Demokratie zu verwandeln. Zum einen braucht man eine Reihe von Institutionen und Regeln, die das Ergebnis von Wahlen und damit die Rechte der Menschen schützen, deren Schaffung aber eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Zum anderen ist eine verantwortungsvolle, rechenschaftspflichtige Führung vonnöten, die wahrhaft dem Volk dient. Kurz, die Umgestaltung der afrikanischen Demokratien erfordert eine verantwortungsvolle Regierungsführung, die nicht der Autokratie eines Einzelnen oder der Gewalt, sondern dem Recht zur Herrschaft verhilft. Seit der Unabhängigkeit war all das in Afrika nur selten anzutreffen. Stattdessen entstand ein Herrschaftssystem, in dem Macht und Autorität auf die Person eines Führers konzentriert waren. Für gewöhnlich wurde und wird eine solche destruktive Regierungsform nach einer illegalen Machtergreifung eingeführt.
Simbabwe war ein ausgezeichnetes Beispiel dafür. 1965 erklärte die Regierung der weißen Minderheit von Südrhodesien, dem späteren Simbabwe, einseitig die Unabhängigkeit des Landes von Großbritannien. Damit durchkreuzte sie die britische Absicht, im Zuge der Entkolonialisierung ein multirassisches demokratisches System aufzubauen. 1970 begann unter der Führung von Robert Mugabe und Joshua Nkomo ein bewaffneter Aufstand gegen das weiße Minderheitenregime. Zehn Jahre später errangen die Freiheitskämpfer den Sieg, und Mugabe übernahm das Amt des Ministerpräsidenten. 1988 wurde er dann Präsident von Simbabwe – als Erster mit den
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