Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
dem Gebiet der Friedenssicherung hatten, die ich nutzte, um ein Gespräch in Gang zu bringen. Ich lernte ihn als Mann mit vernünftigen Anschauungen kennen, der im Gegensatz zu dem seltsamen, stillen Abacha kein Blatt vor den Mund nahm. Als der Präsident einmal den Raum verließ, hielt ich Abubakar vor, wie wichtig es sei, die politischen Gefangenen freizulassen. Abacha hatte meine wiederholt geäußerte Forderung nach größeren Freiheiten und dem Übergang zur Demokratie stets mit einem Seufzen abgetan, und ich hoffte nun, seine Berater könnten den Druck auf ihn erhöhen, diese Forderungen zu erfüllen.
Aber jetzt war Abubakar Präsident, und er hatte Angst, wie er mir später anvertraute. Nachdem sich Nigeria wiederholt geweigert hatte, seinen politischen Kurs zu ändern und politische Gefangene freizulassen, war das Land international vollkommen isoliert und konnte kaum auf Hilfe von außen hoffen. Es ächzte unter einer enormen Schuldenlast. Zudem hatte Abacha die verschiedenen Machtzentren gegeneinander in Stellung gebracht, was zu wachsender Unruhe und gewalttätigen Übergriffen geführt hatte. Das von der ethnischen Gruppe der Hausa dominierte Militär war an eine privilegierte Stellung in der Gesellschaft gewöhnt, die es nicht ohne Weiteres aufgeben würde. Und obwohl Abubakar erkannte, dass man die Demokratie brauchte, um die Zukunft des Landes zu sichern, würden chaotisch organisierte, verfrühte Wahlen die Instabilität nur noch vergrößern. Abacha hatte den 1. Oktober 1998 als Termin für den Übergang zur Demokratie festgesetzt, den er, darin waren sich alle einig, niemals hatte einhalten wollen. Aber Abubakar, der aufrichtigere Absichten verfolgte, war jetzt an diesen Termin gebunden. Irgendwie musste er einen Ausweg aus dieser schwierigen Situation finden.
Ein Problem war für ihn die Frage, wie er mit dem inhaftierten Abiola verfahren sollte. Wenn er ihn freiließ, störte Abiola womöglich das politische Gleichgewicht im Land, indem er die Präsidentschaft für sich beanspruchte, wie er es schon einmal getan hatte. In seiner Hochburg im Südwesten des Landes fände er mit dieser Forderung breite Unterstützung, aber das Militär würde sie höchstwahrscheinlich zurückdrängen.
Wenn besonders heikle Verhandlungen anstanden – die häufig nicht in meinem Büro, sondern in meiner Residenz in New York stattfanden –, wurde der Termin in meinem Kalender in der Spalte für Verabredungen einfach als »belegt (privat) (Residenz)« vermerkt. Einige Wochen nach Abubakars Machtantritt – am 22. Juni 1998 um 15.30 Uhr – hatte ich ein solches Treffen mit dem nigerianischen Außenminister Tom Ikimi. In der entspannten Umgebung meines Wohnzimmers überbrachte er mir eine Botschaft von Abubakar. Der Präsident hoffte, ich könne ihm helfen, die durch Abachas Tod entstandene Gelegenheit zu nutzen, um Nigeria aus seiner gegenwärtigen Notlage herauszuführen. Er wolle dem Land wieder eine angemessene Stellung in der Region und in der Welt verschaffen, die Missherrschaft beenden und die Demokratie einführen. Aber er wolle den Termin für Wahlen hinausschieben, um den Übergang zu erleichtern, und dafür bitte er mich um öffentliche Unterstützung.
Ikimi trat diesmal völlig anders auf, als er es als Abachas Abgesandter getan hatte. Bisher hatte er mich und andere stets lang und breit darüber belehrt, dass Nigerias innere Angelegenheiten einzig und allein Sache der Regierung seien. Dieser Aplomb war jetzt dem Realismus gewichen: der Erkenntnis, dass Nigeria Teil einer eng vernetzten Welt war. Mein erster Gedanke betraf Abiola. Er durfte nicht zum Opfer der Umgestaltung werden, oder es wäre keine Umgestaltung. Er hatte den ersten wirklichen Versuch demokratischer Wahlen so gut wie gewonnen, besaß weiterhin beträchtliche Unterstützung und war durch seinen Gefängnisaufenthalt zum Symbol für alle geworden, die einen politischen Wandel im Land forderten. Ihn weiter in Haft zu behalten, wäre das Gegenteil eines Fortschritts in Richtung wahrer Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gewesen.
»Ich bin bereit, öffentlich meine Zustimmung zu dem Vorhaben des Präsidenten zu geben«, sagte ich zu Ikimi, dessen Blick sich sichtlich aufhellte. »Aber nur, wenn Abiola freigelassen wird.« Ikimi schien bestürzt zu sein, erwiderte aber, dass Abiola freigelassen werden könne, wenn ich persönlich nach Abuja käme, um mich öffentlich hinter Abubakars Wahlvorschlag zu stellen. Ich nahm die Einladung an. Ich
Weitere Kostenlose Bücher