Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)
würde tun, was ich konnte, so wenig es sein mochte, um zur Beendigung einer Militärdiktatur beizutragen, insbesondere in Nigeria, das unter den zahlreichen Militärputschen, die das Land seit 1960 über sich ergehen lassen musste, lange genug gelitten hatte.
Aufgrund meines Terminkalenders flogen wir am 29. Juni von Wien aus mit einem nigerianischen Regierungsflugzeug nach Abuja. Man war offenbar erpicht auf unseren Besuch, denn es war ein brandneues, luxuriöses Flugzeug, das für den persönlichen Gebrauch des Präsidenten bestimmt war. Nach der Ankunft kam ich mit Abubakar zusammen, um über die Lage zu sprechen. Er wiederholte, was Ikimi in New York gesagt hatte, und ich drängte ihn, sein Versprechen einzuhalten, das politische System zu öffnen und die Zivilgesellschaft einzubeziehen, um eine Dynamik in seinem Sinn aufzubauen und das Land auf einen neuen Kurs zu bringen. Er reagierte positiv, erklärte aber, der Termin am 1. Oktober sei zu früh für den Übergang zur Demokratie und eine glaubwürdige Wahl. Ich riet ihm, die Wahl nicht einfach nur zu verschieben, sondern öffentlich ein neues Datum zu nennen und einen genauen Zeitplan festzulegen. Darüber hinaus solle er für alle verständlich klarmachen, warum die Verschiebung nötig sei. Außerdem erinnerte ich ihn daran, dass Abiola freigelassen werden müsse, wenn er das internationale Wohlwollen gewinnen wollte – und meines.
An diesem Punkt zögerte Abubakar kurz. Dann erklärte er sich bereit, Abiola sofort freizulassen, aber nur unter der Bedingung, dass er keinen Anspruch auf die Präsidentschaft erhob. Ich verstand die Sorge des Generals: Wenn Abiola freikam und seine Einsetzung als Präsident verlangte, konnte eine tiefe, gewalttätige Konfrontation die Folge sein, die das Land angesichts der fragilen Lage Gott weiß wohin bringen konnte. Abiolas Freilassung war notwendig, aber sie musste in aller Stille erfolgen. Ich fragte, ob ich Abiola sehen könne, um mit ihm darüber zu sprechen, und Abubakar versprach, ein Treffen zu arrangieren.
Am Abend desselben Tages klopfte es an Lamins Hotelzimmertür, wonach wir durch die dunklen Straßen von Abuja zu Abiolas damaligem Aufenthaltsort rasten. Wir hielten in der Nähe des Präsidentenpalasts, und mürrische Wachen führten uns in eine Art Gästehaus und in ein einfaches Zimmer mit weißen Wänden, in dem Abiola bereits auf uns wartete.
Nach der Begrüßung teilte ich ihm mit, dass ich mit dem Präsidenten und der Junta Gespräche über die gegenwärtige Entwicklung in Nigeria führen würde und seine, Abiolas, Freilassung verlangt hätte. Er nahm es erstaunlich zurückhaltend auf. Ich fragte ihn, ob er nach seiner, wie ich zuversichtlich hoffe, baldigen Freilassung Anspruch auf die Präsidentschaft erheben wolle. Er erwiderte, er sei nicht sicher. Er denke, die Junta habe Angst davor. Offenbar wollte er sich alle Optionen offenhalten und seinen Anspruch nicht durch eine klare Antwort aufgeben.
Dann wechselte er plötzlich das Thema und fragte: »Aber wer sind Sie eigentlich?«
»Ich bin Kofi Annan«, antwortete ich. »Ich bin der Generalsekretär der Vereinten Nationen.«
»Was ist mit dem anderen passiert? Diesem Ägypter?«, fragte er überrascht.
Ich hatte irrtümlich angenommen, dass man ihm gesagt hatte, wer ihn besuchen würde und warum. Aber man hatte ihm nur gesagt, dass eine »bedeutende Persönlichkeit« ihn sprechen wolle. Es war erstaunlich, wie sehr man diesen Mann von der Außenwelt isoliert hatte. Das Regime war derart daran gewöhnt, ihn im Dunkeln zu lassen, dass es ihn selbst jetzt noch von jeder Nachricht von draußen abschirmte.
Nachdem er begriffen hatte, mit wem er es zu tun hatte, taute er auf und äußerte sich auch genauer über seine Pläne. Er habe nicht die Absicht, die Präsidentschaft zu beanspruchen, erklärte er. Er wolle nur eines, nämlich nach Mekka reisen, um zu beten und sich zu bedanken. Aber, fügte er hinzu, er werde keine schriftliche Zusage machen. Denn damit würde er seinen Ruf zerstören. Er sei jedoch bereit, auch Präsident Abubakar persönlich dieses Versprechen zu geben.
Am nächsten Tag übermittelte ich Abubakar diese Botschaft, doch er zögerte immer noch. Ich erklärte, dass ein freier Abiola, der kein Interesse daran habe, die Situation aufzuheizen, nicht aufstachelnd, sondern beruhigend auf seine Anhänger wirken werde. Ich würde vor meiner Abreise in meiner Ansprache vor der Presse bekanntgeben, dass er, Abubakar, mir gegenüber
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