Ein Leben lang
gleichzeitig aber wusste sie auch, dass Quinn und Cully ein großes Herz hatten.
Jetzt blieb nur noch zu hoffen, dass es groß genug war, um auch Kathleen darin aufzunehmen.
Doch als sie die Tür öffnete, war sie sich nicht mehr sicher, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, diese Begegnung herbeizuführen. Quinn und Cully wirkten kalt und distanziert. Rebeccas ängstlicher Blick flog zu Victoria und Nikki.
Immerhin erleichternd, dass beide Frauen sie aufmunternd anlächelten.
„Kommt rein.“ Sie ging einen Schritt beiseite, so dass die vier eintreten konnten.
„Mom ist im Wohnzimmer.“
Sie ließen ihr den Vortritt. Kathleen stand neben dem großen Sessel und umklammerte mit beiden Händen ihre Taille. Ihr elegantes blaues Kostüm und die dazu passenden Pumps, der wertvolle Schmuck und die nicht weniger wertvolle Armbanduhr waren ein unterschwelliger Hinweis auf ihre soziale Stellung, aber Rebecca wusste, dass diese Statussymbole ihrer Mutter nur als Rüstung dienten.
Kathleen sagte nichts, und auch Quinn und Cully hüllten sich in Schweigen. Die drei starrten sich eingehend an, fast so, als ob sie nach irgendeiner winzigen Ähnlichkeit suchten, die es ihnen erlaubte, sich aneinander zu erinnern.
„Mom“, sagte Rebecca, darum bemüht, ihnen allen die schwierige Begegnung ein bisschen zu erleichtern. „Das sind Quinn und seine Frau Victoria und Cully und seine Frau Nikki.“
„Guten Morgen“, erwiderte Kathleen leise.
Als Quinn ihre unverwechselbare klare Stimme hörte, huschte eine Gefühlsregung über sein Gesicht, das jedoch gleich darauf wieder hart und abweisend wurde. Er nickte nur kurz wortlos, ebenso wie auch Cully, während Nikki und Victoria beide den Grüß erwiderten.
„Wollen wir uns nicht setzen?“ Rebecca deutete auf die Couch, wobei sie sich wünschte, Jacksons Angebot, ihr zur Seite zu stehen, angenommen zu haben.
Jetzt sehnte sie sich nach seiner Unterstützung, aber sie war davon ausgegangen, dass sich Quinn und Cully bestimmt besser fühlten, wenn bei ihrer ersten Begegnung mit ihrer Mutter nach so langer Zeit so wenig Leute wie möglich anwesend waren.
Kathleen saß steif in ihrem Polstersessel, mit durchgedrücktem Kreuz und ohne sich anzulehnen, die Hände im Schoß gefaltet, die Beine leicht schräg gestellt und an den Knöcheln übereinander gekreuzt. Victoria und Nikki hatten auf der Couch Platz genommen, während die beiden Männer auf den breiten Armlehnen hockten, offenbar zu angespannt, um sich richtig zu setzen.
Rebecca schaute erst ihre Mutter sowie ihre beiden Brüder an, die sich alle drei sichtlich unwohl fühlten, und dann Victoria und Nikki, die ihr wieder aufmunternd zunickten. Sie beschloss, auf alle Höflichkeitsfloskeln zu verzichten und gleich zur Sache zu kommen „Falls alle einverstanden sind, möchte ich Mom bitten, uns zu erzählen, was vor mehr als dreißig Jahren geschah. Damit sind dann vielleicht schon eine ganze Menge Fragen beantwortet.“
„Einverstanden.“ Quinns tiefe Stimme war neutral. Cully nickte nur. Beide Männer konzentrierten sich allein auf Kathleen.
„Gut.“ Kathleen schwieg einen Moment, wie um sich zu sammeln. Als sie wieder sprach, klang ihre Stimme so ruhig und nüchtern, als ob sie die Geschichte einer Fremden erzählte. „Als ich Charlie Bowdrie kennen lernte, war ich siebzehn. Ich arbeitete damals in einem Restaurant als Aushilfskellnerin, um mir das Geld fürs College zu verdienen. Er kam mehrmals in der Woche zum Mittag oder zum Abendessen. Irgendwann kamen wir miteinander ins Gespräch, aber er hat mir nicht erzählt, dass er verheiratet ist, und da ich nicht in Colson, sondern in Wolfs Point wohnte, konnte ich es nicht wissen. An meinem achtzehnten Geburtstag lud er mich zum Essen ein, und anschließend gingen wir ins Kino. Ab diesem Zeitpunkt sahen wir uns mehrmals pro Woche. In jenem Sommer wurde ich schwanger, und irgendwie ging ich davon aus, dass wir heiraten würden. Da erst erfuhr ich von ihm, dass er bereits verheiratet war.“ Für einen Moment spiegelten sich auf Kathleens bislang unbewegtem Gesicht ihre Gefühle, doch gleich darauf hatte sie sich wieder im Griff und sprach weiter: „Ich lebte damals bei meiner Tante, die sehr böse wurde, als sie erfuhr, dass ich schwanger war. Und noch böser wurde sie, als ich mich weigerte, das Kind abtreiben zu lassen. Sie enterbte mich und warf mich aus dem Haus. Als Charlie es herausfand, mietete er ein Häuschen und bestand darauf,
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