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Ein leises boeses Fluestern

Ein leises boeses Fluestern

Titel: Ein leises boeses Fluestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodus Carroll
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ab.
    »Es tut mir leid, Lou«, wiederholte Clarissa.
    Die Haushälterin starrte geradeaus. »Hast du dich nach dem Fahrplan erkundigt?«
    »Nein«, antwortete Max. »Du kannst jetzt nicht weggehen. Nur noch ein paar Tage, und die Stackpoles werden wieder da sein … und dann kannst du nach Hause gehen.«
    Sie wandte sich ab und schlurfte vorbei an dem Wohnzimmer auf die Vordertreppe zu. Max folgte ihr und schaltete das Licht im oberen Flur an. Schluchzend und vor sich hin murmelnd, stieg Louise zu ihrem Schlafzimmer hinauf.
    Max ging den Flur hinunter und öffnete die Hintertür. »Die Luft ist erstickend«, meinte er. »Wir können das Haus nicht Nacht für Nacht wie ein Grabmal verschließen.«
    Clarissa sah hinaus in die Dunkelheit. »Es tut mir leid wegen Louise.«
    »Ich weiß.«
    »Aber ich fürchte mich nicht mehr vor ihr.«
    »Komm, komm, Clarissa.« Max’ Stimme klang müde. »Du hast dich nie vor Louise gefürchtet.«
    »Doch. Sie ist eine Erwachsene.« Clarissa hob ihr Haar und fächelte sich den Nacken.
    »Du bist ungerecht. Sie ist eine alte Frau, die keinen Platz hat, wo sie hingehen könnte. Und sie versteht nicht. Vielleicht hat sie vergessen, wie es ist, ein kleines Mädchen zu sein.«
    »Du bist ja dumm, Maxie. Ich bin kein kleines Mädchen.«
    Max hakte die Fliegendrahttür ein. »Wir können von ihr nicht erwarten, daß sie etwas versteht.«
    »Natürlich nicht. Sie kennt unsere Geheimnisse nicht.«
    Die kindliche Stimme erhob sich in einem Singsang: »Sie kennt unsere Geheimnisse nicht!« Clarissa drehte sich in der Diele unter dem weichen Licht, und die gläsernen Pfirsiche und Aprikosen des Kronleuchters vibrierten und klirrten leise. Sie ergriff Max’ Hände und wirbelte auf die Wohnzimmertür zu. »Komm, wir stecken alle Kerzen an und tanzen im Ballsaal. Wir können so tanzen, wie sie es bei Gesellschaften getan haben. Ich werde ihre Spieluhr aufziehen.«
    »Was für eine Spieluhr?«
    Clarissa bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. Durch die Finger linste sie ihn an. »Ich hätte es dir schon noch erzählt. Aber ich wollte dich damit überraschen.« Sie schlang die Arme um Max und schmiegte ihren Kopf unter sein Kinn. »Ich habe sie bei den Briefen gefunden.
    Ich habe sie gestern abend spielen lassen, aber du hast sie sicher nicht gehört.«
    Die heiße Sommernacht schien ihn zu ersticken, seine Lungen mit Hitze zu füllen, und dazu kamen das grelle Licht des Kronleuchters und die überwältigende Wärme von Clarissas Körper.
    »Es ist eine wunderschöne Spieluhr«, murmelte sie gegen sein Hemd. »Sie spielt Walzer und Mazurkas, und ich wollte dir davon erzählen. Nur Louise sollte es nicht wissen.«
    Max löste ihre Arme von seinem Rücken. »Ich dachte, zwischen uns gäbe es keine Geheimnisse.«
    »Gibt es auch nicht. Ich schwöre es dir.«
    »Was hast du sonst noch bei den Briefen gefunden?«
    »Nichts.« Ihre blauen Augen waren entrüstet aufgerissen. »Ich habe dir alles erzählt. Zwischen dir und mir gibt es keine Geheimnisse. Ehrlich nicht.«
    »Wo ist die Spieluhr?«
    »In meinem Zimmer. Ich werde sie holen.«
    »Nein.« Max hielt sie am Arm fest. »Es ist schon spät. Ich glaube dir. Du kannst sie mir morgen zeigen.«
    »Bist du böse auf mich?«
    Er ging auf die Treppe zu. »Deine Eltern kommen nächste Woche nach Hause. Dann können wir ihnen alles erzählen.«
    »Vielleicht auch nicht. Vielleicht sollten wir ihnen nichts erzählen«, bettelte sie. »Vielleicht würden sie es nicht verstehen.«
    »Du kannst in diesem Haus nicht leben, wenn deine Eltern nicht …« Max suchte nach Worten. »Gute Nacht, Clarissa«, sagte er und stieg die Treppe hinunter.
    In seinem Zimmer nahm Max die Feuerwerkskörper aus der Tüte und sog ihren starken Geruch ein. In Gedanken war er wieder ein Junge, und es war der vierte Juli, der Unabhängigkeitstag, wenn die ganze Welt nach Schießpulver und Pappe und Schwefelhölzern und grünem Gras unter der heißen Sonne roch. Seine Mutter hatte darauf geachtet, daß er sich vor dem Mittagessen die Hände wusch. Das Brot war warm und duftete nach Mayonnaise und Tomaten, und seine Kruste schmeckte knusprig. Aber beim Händewaschen hatte sich der Geruch nach Feuerwerkskörpern verloren, so daß er die Hände in die Hosentaschen zu den Wunderkerzen stecken mußte, um den Geruch zurückzugewinnen. Max roch nun an den Feuerwerkskörpern und schloß, in Erinnerungen versunken, die Augen.
    Und von oben kam hell und klar der Klang einer Spieluhr – die Melodie

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