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Ein leises boeses Fluestern

Ein leises boeses Fluestern

Titel: Ein leises boeses Fluestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodus Carroll
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möchte, daß wir beide an diesem Tag zusammen sind.«
    »Wie würde es dir gefallen, wenn wir beide heute zusammen zur Post gingen?«
    »Wann?«
    »Jetzt gleich. Und dann gehen wir in die Stadt und kaufen eine große Fahne, die wir über das Geländer der Veranda hängen können. Eine Fahne ist das Richtige für den Feiertag.«
    Clarissa legte ihm den Arm um die Mitte. »Ja«, sagte sie. »Gehen wir.«
    »Nachdem du dir das Haar gekämmt hast …«
    »Okay. Aber über das Feuerwerk ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.«
    »… und nachdem du gefrühstückt hast«, setzte Max hinzu, ohne auf ihre letzte Bemerkung einzugehen.
    Clarissa verzog das Gesicht. »Ich habe keinen Hunger.«
    »Du kannst nicht den ganzen Vormittag mit leerem Magen herumlaufen.«
    »Louise schläft wahrscheinlich noch. Es wird ihr nicht recht sein, wenn wir ein Durcheinander in ihrer Küche machen.«
    Max sah sie überlegend an.
    »Können wir nicht unterwegs ein paar Pfannkuchen kaufen?«
    »Okay. Lauf nach oben und kämm dir das Haar.«
    Sie raste auf die hintere Veranda zu. Der Morgenwind hatte sich gelegt, und sie fühlte die Sonne auf ihrem Rücken. Oben öffnete sie die Verandatür und lauschte, ob Louise schon in der Küche war. Es war ganz ruhig. Auf Zehenspitzen schlich sie in ihr Schlafzimmer.
    Clarissa ließ die Jalousien herunter. In dem verdunkelten Raum schien es kühler zu sein. Sie setzte sich auf ihr ungemachtes Bett und bürstete ihr Haar, band ein rosa Haarband um, rutschte vom Bett hinunter und betrachtete sich in der Spiegeltür. Clarissa hob ihren Rocksaum bis zu ihrem Höschen hoch, bewunderte ihre Beine und ließ den Rock wieder fallen.
    Sie kletterte auf einen Stuhl, zog die oberste Schublade des Kommodenaufsatzes auf und sah hinein. Sie öffnete den Kirschholzdeckel der Spieluhr und streichelte das Glastürchen, hinter der eine Metallscheibe und schmale Metallzacken angeordnet waren. Als lausche sie einer unhörbaren Musik, legte sie die Wange auf den Unterarm und hielt ihr Gesicht dicht an die Spieluhr.
    Dann fischte sie ein Zweiglein getrockneten Flieder aus der Schublade, sog den muffigen Geruch ein und steckte ihn in ihren Halsausschnitt unter das Kleid. Der Zweig kitzelte sie, und sie lachte leise. Es war ein so kleines, unwichtiges Geheimnis, das sie vor Max hatte. Es spielte gar keine Rolle, daß sie den Zweig in dem Kasten mit den Briefen gefunden hatte. Und was hätte Max getan, falls sie es ihm erzählt hätte? Er würde den Zweig gar nicht haben wollen. Es war ja nur ein ganz kleiner, getrockneter Zweig, gar nicht wert, daß man ihn aufhob.
    Sie schob den Stuhl ans Fußende des Bettes. Louise würde nie auf den Gedanken kommen, in der obersten Schublade nach Geheimnissen zu suchen. Der Kommodenaufsatz war viel zu hoch für sie, als daß sie sich die Mühe gemacht hätte. Sie hatte da oben auch nie abgestaubt. Der graue Staub lag schon beinahe einen Zentimeter hoch. Wenn im Herbst die Leute von der Reinigungsfirma kamen, um den Hausputz vorzunehmen, würde Clarissa ihre Schätze in ein anderes Versteck bringen. Aber im Augenblick waren die Spieluhr und der Flieder in Sicherheit. Sicher und verborgen.
    Sie rannte hinaus auf die Veranda und zu Max’ Wagen, der auf der Zufahrt stand.
    »Was hat dich aufgehalten?« erkundigte sich Max.
    »Nichts. Ich habe nur mein Zimmer aufgeräumt.« Sie setzte sich neben ihn auf den Vordersitz.
    »Max, ich habe mich entschieden, dir etwas zu erzählen. Gerade eben habe ich den Entschluß gefaßt.«
    »Was denn?«
    »Ich habe zusammen mit ihrer Spieluhr einen Zweig getrockneten Flieder gefunden. Sie sagen, ich könnte ihn behalten.« Clarissa zog den verblaßten Zweig aus dem Halsausschnitt. »Du darfst ihn anfassen. Es ist kein Zauber oder so etwas Ähnliches.«
    Max wandte sich ab. »Ich darf? Das ist doch nichts als eine tote Pflanze.«
    »Es ist sehr viel mehr. Sie möchten, daß du mehr über sie erfährst. Vielleicht werden sie dir eines Tages auch ein Geschenk machen.«
    Beide spürten, wie sie da nebeneinander saßen, die schwere Stille, die beginnende Tageshitze und über allem eine bedrückende Trägheit.
    Plötzlich ließ Max den Motor an und fuhr auf die Autostraße. Clarissas Schweigen schien unnatürlich.
    »Du siehst blaß aus«, stellte er fest und berührte ihre Stirn. »Fühlst du dich nicht gut?«
    »Doch, mir geht es gut. Es ist nur auf einmal etwas über mich gekommen.«
    »Vielleicht die Hitze«, meinte Max.
    Doch Clarissa hatte eine

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