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Ein letzter Besuch: Begegnungen mit der Weltmacht China (German Edition)

Ein letzter Besuch: Begegnungen mit der Weltmacht China (German Edition)

Titel: Ein letzter Besuch: Begegnungen mit der Weltmacht China (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt
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Amerika wird nicht auf ewig in der Lage sein, Taiwan zu verteidigen. Was die Wiedervereinigung verhindert, ist die amerikanische Macht. Und diese Macht wird in dem Maße abnehmen, in dem China asymmetrische Waffen entwickelt, um die Siebte Flotte der US Navy auf Abstand zu halten.
    SCHMIDT Nebenbei, Harry, möchte ich auch das Museum in Seoul in Korea erwähnen. Es ist ein großartiges Museum, ebenfalls ein Nationalmuseum. Es ist nicht so reich wie das Palastmuseum in Taipeh, aber es ist einen Besuch wert. Kennen Sie es?
    LEE Ich bin dort gewesen. Korea gehörte über tausend Jahre zur chinesischen Kultur und wurde von China regiert. Deshalb waren Kunst und Handwerk Teil der chinesischen Überlieferung, aber mit Besonderheiten, die in Korea selbst entwickelt wurden.
    SCHMIDT Kennen Sie etwas Ähnliches in Nordkorea?
    LEE Ich war nie in Nordkorea. Aber ich glaube, es hat sich seit 1945, seit der Teilung der Halbinsel, zurückentwickelt.
    SCHMIDT Wie lange kann es sich noch halten?
    LEE Nach meiner Ansicht auf unabsehbare Zeit, denn China will es als Puffer gegen die Amerikaner behalten, um diese davon abzuhalten, mit den Südkoreanern zum Grenzfluss Yalu vorzustoßen.
    SCHMIDT Obwohl der Druck der Amerikaner auf Nordkorea nachlässt.
    LEE Trotzdem werden die Chinesen kein Risiko eingehen. Wenn die Vereinigung vom Norden ausgeht und dieser anschließend den Süden dominiert, werden sie zustimmen. Dominiert nach der Vereinigung der Süden, werden sie die Vereinigung ablehnen.
    SCHMIDT In den frühen neunziger Jahren habe ich einmal in Paris eine Tagung mit rund zwanzig Teilnehmern geleitet. Mein Gegenüber war der frühere südkoreanische Ministerpräsident Shin Hyun-hwak. Mit einer Reihe koreanischer und deutscher Ökonomen haben wir die wirtschaftliche und soziale Lage in unseren beiden Ländern verglichen. Als die Koreaner nach zwei Tagen abreisten und ich den Bericht las, den sie für ihre Regierung geschrieben hatten, stand da: Vorsicht! Es ist zu kostspielig!
    LEE Es wäre in der Tat kostspielig, denn die Entwicklung im Norden wurde aufgehalten. Er steht bei der Bildung schlecht da, er steht wirtschaftlich schlecht da. Er hinkt dem Süden in jeder Hinsicht hinterher, außer beim Militär. Deshalb glaube ich nicht, dass es den Süden besonders drängt, sich zu vereinigen.
    SCHMIDT Und würden Sie sagen, dass das Militär das Land beherrscht, und nicht dieser 29-jährige junge Mann, der die Thronfolge angetreten hat?
    LEE Ich denke, die Generäle lenken den jungen Mann.
    SCHMIDT Das denke ich auch.
    LEE Er ist nur ein passender Repräsentant, den sie als Galionsfigur vorschieben, um die Verbindung zur Vergangenheit zu betonen, während sie die Hebel in der Hand halten.
    MATTHIAS NASS Wir haben über den Einfluss des Westens auf Asien gesprochen. Was kann der Westen von Asien lernen?
    SCHMIDT Nach meiner Ansicht kann der Westen mehrere Dinge von Asien lernen, zumindest hat er die Chance zu lernen, wenn er denn lernen will. Bis jetzt will er nicht wirklich etwas lernen. Aber was er lernen sollte, ist zum Beispiel Geduld. Geduld, die sich in einer langfristigen Perspektive auf die Zukunft äußert. Langfristig nicht nur auf dem Gebiet der Industriekultur, sondern auch auf dem der Militärkultur, der Rechtskultur und so weiter. Man muss nicht alles in vier Jahren tun. Die westliche Demokratie bringt für gewöhnlich Politiker hervor, die versprechen, in den nächsten vier Jahren den Himmel auf Erden zu schaffen. Natürlich können sie ihr Versprechen nicht halten. Dann werden sie beiseitegedrängt, und jemand anderes wird gewählt. Manchmal dauert es länger als vier Jahre, es können auch acht Jahre werden. In Deutschland gab es zwei Ausnahmen: zuerst Adenauer und dann Kohl. Aber in beiden Fällen gab es außergewöhnliche Umstände und Schwierigkeiten, unter denen die Deutschen litten. In der Regel regiert niemand länger als acht Jahre.
    LEE Schon aufgrund des Fernsehens sind es die Wähler leid, immer dieselben Gesichter auf dem Bildschirm zu sehen und immer dieselben Stimmen zu hören. Das ist ein Phänomen, das mir aufgefallen ist, und wir achten darauf, es hier nicht so weit kommen zu lassen. Deshalb nutzen wir die Medien sehr wenig.
    SCHMIDT Seit wann praktizieren Sie dies?
    LEE Oh, ich bin bereits aus dem Amt geschieden. Ich nutze die Medien überhaupt nicht mehr!
    SCHMIDT In dieser Hinsicht unterscheiden wir uns. Aber ich achte darauf, sie nicht übermäßig zu nutzen.
    LEE Ich denke, je öfter die Menschen

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