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Ein letzter Besuch: Begegnungen mit der Weltmacht China (German Edition)

Ein letzter Besuch: Begegnungen mit der Weltmacht China (German Edition)

Titel: Ein letzter Besuch: Begegnungen mit der Weltmacht China (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt
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für sich und seine Familie, das Recht des Einzelnen auf Arbeit, Bildung, medizinische Versorgung und Schulen – das, denke ich, würden die Chinesen akzeptieren. Aber das Recht des Bürgers, vor ein Gericht gestellt zu werden, bevor man ihn verurteilt und wegsperrt, ist ein Recht, das sie nicht begreifen. Sie entscheiden, ob man eine Gefahr darstellt, und dann sperren sie einen ein.
    MATTHIAS NASS Was ist mit der Versammlungs-, Rede- und Religionsfreiheit?
    LEE Die Versammlungsfreiheit ist in China stark eingeschränkt.
    MATTHIAS NASS Aber die Chinesen selbst fordern dieses und andere Rechte ein. Als ich 1989 während der Demonstrationen auf dem Platz des Himmlischen Friedens in China war, errichteten sie gerade eine »Göttin der Demokratie«, die eine Nachbildung der Freiheitsstatue in New York war. Es waren Chinesen, die diese Figur aufstellten.
    LEE Ja, idealistische junge Leute! Man hat ihnen, bildlich gesprochen, den Kopf abgerissen, und sie endeten schließlich in Amerika. In den Augen der großen Mehrheit war es ein Zwischenfall.
    SCHMIDT Ich würde sogar als alter Kerl noch Leute mit den Fäusten bekämpfen, die die Rechte des Einzelnen beseitigen wollen! Aber ich würde es strikt unterlassen, mich in einem anderen Land einzumischen, um die Rechte seiner Bewohner zu verteidigen. Ich bin tief besorgt, muss ich sagen, über das neue Schlagwort, das in den Diskussionen der Vereinten Nationen gegenwärtig eine Rolle spielt, das Schlagwort von der »Responsibility to Protect«, der »Schutzverantwortung«. Ich halte dieses Schlagwort für falsch.
    LEE Wie man in Libyen sieht, bekommt man es, wenn man einen Diktator mit Luftangriffen erledigt, mit vielen kleinen Militärführern zu tun, von denen jeder zum Diktator wird.
    SCHMIDT Oder mit der Moslembruderschaft.
    MATTHIAS NASS Gibt es Fälle, in denen Sie sagen würden, dass die Schutzverantwortung die richtige Antwort wäre? Beispielsweise im Fall der Roten Khmer in Kambodscha oder beim Völkermord in Ruanda?
    LEE Ich glaube, international ist der Genozid heute geächtet. Wenn Menschen getötet werden, nicht als Individuen, sondern als Angehörige einer Rasse, und das Ziel ist, dass diese Rasse dezimiert werden soll, dann hat man das Recht einzugreifen. Insbesondere, wenn eine große Nation eine kleinere dezimiert, wie im Fall der Hutu und Tutsi. Andernfalls hätte man überall auf der Welt Gesetzlosigkeit.
    SCHMIDT Ich überlege, wo die Grenze verläuft. Wann soll man intervenieren, um jemandem zu helfen, der von seiner Regierung oder Kräften im Nachbarland bedroht wird? Wie soll man die Grenze festlegen, an der man moralisch gezwungen ist, jemanden daran zu hindern, massenweise Menschen umzubringen? Es besteht die Gefahr, dass die »Schutzverantwortung« keine Grenze akzeptiert. Der Westen hatte sicherlich gute Gründe, das Volk in Ruanda und Burundi zu schützen, aber es war zu schwierig, deshalb haben wir es unterlassen. Wir hatten möglicherweise eine moralische Pflicht gegenüber dem Volk von Tschetschenien, aber wir haben nichts getan. Wir standen möglicherweise im Fall des Tiananmen-Platzes in der Pflicht, aber wir haben nichts getan. Eingegriffen wurde in Fällen, in denen es leicht war oder propagandistisch von Vorteil.
    LEE Es muss praktikabel sein. Man hätte auf dem Tiananmen-Platz nicht eingreifen können, weil man eine sehr große Macht herausgefordert hätte. Was Ruanda und Burundi angeht, denke ich, dass die Amerikaner es heute bedauern, nicht interveniert zu haben.
    SCHMIDT Bedauern Sie, Harry, dass wir nicht interveniert haben?
    LEE Wenn Sie mich fragen, ob ich Truppen entsandt hätte, um die Hutu zu stoppen, würde ich sagen: nein. Auch nicht mit einem blauen Barett als Teil eines Kontingents der Vereinten Nationen. Wenn Sie mich aber fragen, ob ich denke, dass das, was dort getan wurde, falsch war, dann würde ich sagen: ja, es war falsch. Denn es wurden Menschen getötet, nicht weil sie Verbrechen begangen haben, sondern weil sie einer anderen Rasse angehörten.
    SCHMIDT Ich denke, dass Sie sich der Ambivalenz Ihrer Antwort bewusst sind. Ich frage mich, ob das alte Völkerrecht, wie es nach dem Dreißigjährigen Krieg in der Mitte des 17. Jahrhunderts eingeführt und später in den Haager und Genfer Konventionen fortgeschrieben wurde, solider und leichter zu befolgen war. Dort war festgelegt, wie man Kriege führen darf und wie nicht; es wurde allerdings nicht wirklich eingehalten.
    LEE Weil es keine überlegene Kraft gab, die die Regeln

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