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Ein letzter Besuch: Begegnungen mit der Weltmacht China (German Edition)

Ein letzter Besuch: Begegnungen mit der Weltmacht China (German Edition)

Titel: Ein letzter Besuch: Begegnungen mit der Weltmacht China (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt
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eine Person in den Medien sehen und je häufiger immer dieselbe Stimme die immer gleichen Dinge sagt, desto mehr werden sie ihrer überdrüssig.
    SCHMIDT Ja, daran ist viel Wahres. Aber ich frage mich, ob es die ganze Wahrheit ist.
    LEE Deshalb bewundere ich de Gaulle. Er erschien selten im Fernsehen. Aber wenn er erschien, hatte er eine Botschaft, und als die Menschen die Botschaft ablehnten, trat er zurück.
    ( SCHMIDT zündet sich eine Zigarette an und macht sie wieder aus.)
    SCHMIDT Entschuldigung, ich war abwesend und habe mir eine Zigarette angezündet. Weil ich Ihre Tabakallergie kenne, habe ich in den letzten beiden Tagen nicht geraucht, und ich werde auch am dritten Tag nicht rauchen.
    LEE Haben Sie vielen Dank.
    SCHMIDT Aber ich bin ein starker Raucher. Wenn ich arbeite, rauche ich 40 Zigaretten am Tag.
    LEE Sie Glücklicher. Viele, die 40 Zigaretten am Tag rauchen, bekommen ein Emphysem und können nicht mehr genug Luft in die Lunge saugen.
    SCHMIDT Loki hat ihr Leben lang geraucht, seit sie zwölf war. Sie starb mit 91 Jahren, und nicht an einem Emphysem!
    LEE (lacht) Sie hatte eine ganz besondere Lunge.
    SCHMIDT Ja, weil Dschingis Khan ihr Urgroßvater war – könnte doch sein! (Beide lachen.) Haben die Mongolen überhaupt geraucht?
    LEE Ja, natürlich. Und heute sind die Chinesen die stärksten Raucher der Welt.
    SCHMIDT Ich war mit einem Mann aus Hamburg befreundet, der nach Kriegsende nichts besaß außer vielen Konstruktionszeichnungen für Maschinen. Er gründete eine Firma namens Hauni. Sie produziert heute Zigarettenmaschinen, die pro Minute rund 17000 Zigaretten herstellen. Hauni hatte auch Maschinen nach China verkauft, und natürlich haben die Chinesen sie kopiert. Ich habe die Fabrik gesehen. Aber sie waren immer noch bei 14000, so dass die deutsche Firma noch zwanzig oder fündundzwanzig Jahre weiterbestehen wird.

Wen Jiabao, seit 2003 Nachfolger Zhu Rongjis im Amt des Ministerpräsidenten, trifft Helmut Schmidt auf der Hannover-Messe 2012.
    © imago stock&people, Berlin

LEE Man kann wirklich nicht sagen, dass die Chinesen große Erfinder sind, das liegt nicht im Wesen ihrer Kultur. Früher einmal hatten sie die Astronomie, die Navigation, aber all das haben sie verloren. Heute versuchen sie aufzuholen. Aber ihre Kultur steht ihnen dabei im Weg. Das ist anders als bei den Japanern, die können sich schnell umorientieren. Bei den Chinesen geht es nur langsam.
    SCHMIDT Die Chinesen sind ein sehr geduldiges Volk.
    LEE Das müssen sie sein.
    SCHMIDT Ich frage mich, ob sie es sein müssen. Tatsächlich sind sie es über Hunderte von Jahren hinweg gewesen.
    LEE Sie hatten keine Wahl! Sie waren schwach, gefangen, ihre wichtigsten Häfen und das Kapital befanden sich in den Händen ausländischer Mächte, das Land wurde ständig schwächer. Die Mandschus, die letzten Qing-Kaiser, waren untätig und unbeweglich.
    SCHMIDT Was mich verwundert ist, dass die Qing- oder Mandschu-Dynastie und davor die mongolische Yuan-Dynastie China eroberten, den Thron eroberten und sich als Kaiser einsetzten, aber den Einfluss des Konfuzianismus bestehen ließen.
    LEE Nun, weil sie eine Minderheit waren, eine Militärmacht, die eine Mehrheit unterworfen hatte. Aber um ein Land von dieser Größe zu regieren, mussten sie das chinesische System übernehmen, das Mandarinentum, die Gelehrten, denen die Leitung des Landes anvertraut wurde. So wurden sie von der Kultur des Landes absorbiert und letzten Endes zu Chinesen. Sie heirateten Chinesinnen und wurden Chinesen. Weil sie in der Minderheit waren, setzten sich die chinesischen Anteile stärker durch als die mandschurischen oder mongolischen.
    SCHMIDT Ein Grund dafür, dass es an technischem Erfindergeist mangelte, könnte gewesen sein, dass das Mandarinensystem nach konfuzianischen Regeln aufgebaut war und dass der Gegenstand der Prüfungen, die man ablegen musste, die Literatur war und nicht naturwissenschaftliche und technische Kenntnisse.
    LEE Nein, denn die Literatur umfasste auch Themen wie die Landwirtschaft, damals der Hauptwirtschaftszweig Chinas. Ich habe das System in Singapur bekämpft, nicht wegen seines Inhalts, sondern weil jemand, der Prüfungsfragen richtig beantworten kann, nicht unbedingt auch fähig ist, das Land zu verwalten. Dafür braucht man andere Fähigkeiten. Und man muss einen Draht zum Volk haben.
    SCHMIDT Die Mandarine hatten ihn sicher nicht.
    LEE Das war ein großer Nachteil. Sie wurden weltfremd. Das Symbol des Mandarins ist die an zwei

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