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Ein letzter Besuch: Begegnungen mit der Weltmacht China (German Edition)

Ein letzter Besuch: Begegnungen mit der Weltmacht China (German Edition)

Titel: Ein letzter Besuch: Begegnungen mit der Weltmacht China (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt
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die Institution wiederbeleben. Es ist ein Präzedenzfall geschaffen worden für später, wenn man ein schwieriges Problem lösen muss, ohne zu viele Nationen beteiligen zu wollen, was zu Handlungsunfähigkeit führen würde. Die G20 ist akzeptiert und wird es bleiben.
    SCHMIDT Die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise ging zum Erstaunen der Politiker beziehungsweise der politischen Führungen 2009/10 nicht zu Ende. Stattdessen erleben wir jetzt eine Schuldenkrise in Europa; in Amerika gibt es eine hohe Arbeitslosigkeit und einen Abschwung der Konjunktur, ebenso in Großbritannien. Es sieht nach einer Wiederholung der Großen Depression aus. Die Ursachen liegen etwas anders, aber genau wie die Wirtschaftskrise der 1930er Jahre ist auch die gegenwärtige Krise durch Massenarbeitslosigkeit und insbesondere massive Jugendarbeitslosigkeit gekennzeichnet.
    LEE Wir haben es mit einer weltweiten Arbeitslosigkeit zu tun, mit einer Stockung des Flusses von Waren und Dienstleistungen rund um die Welt. Im Vergleich mit dem, was in den 1930er Jahren geschah, ist es jedoch nur ein schwaches Echo. Ich war damals ein kleiner Junge, und meine Großväter – beide reiche Männer, der eine in der Schifffahrt, der andere im Gummigeschäft – haben beide Bankrott gemacht.
    SCHMIDT Haben Sie einen Rat für die gegenwärtige Situation?
    LEE Um einen Rat geben zu können, muss man das Ausmaß und die Einzelheiten des Problems kennen. Dann muss man wissen, was machbar ist, welche Maßnahmen mit Zustimmung der Großmächte voraussichtlich umgesetzt werden können. Ich bin nicht in der Lage, dies zu sagen.
    SCHMIDT Ich nehme an, dass gegenwärtig niemand auf der Welt in der Lage ist, eine Antwort zu geben. Und das meine ich wörtlich: niemand auf der Welt.
    LEE Weil man sich nicht zusammengetan hat, weil man nicht die Köpfe zusammengesteckt hat wie damals in Bretton Woods, gegen Ende des Zweiten Weltkriegs. Damals hat man die Lage analysiert und eine Einrichtung geschaffen, die sie zu überwinden half. Es funktionierte lange Zeit gut. Keynes war dort, und man hatte noch andere kluge Leute versammelt, die mit der Autorität ihrer Persönlichkeit auftraten.
    SCHMIDT Ja, das von Keynes und anderen geschaffene Bretton-Woods-System hielt von 1944 bis 1972. Bei genauerem Hinsehen stellt man allerdings fest, dass es nur bis 1968 Bestand hatte; denn in diesem Jahr stellten die USA die Auszahlung in Gold ein, zu der sie nach dem Abkommen von Bretton Woods verpflichtet waren.
    LEE 1972 durchschnitt Nixon endgültig den Konnex zwischen Dollar und Gold und gab der Regierung damit das Recht, Dollar zu drucken. So hat Amerika das System dominiert.
    SCHMIDT Ja, es hat die Welt dominiert. Ich erinnere mich an einen amerikanischen Finanzminister, der 1972 sagte: Der Dollar ist unsere Währung, aber Gott sei Dank euer Problem! ( LEE lacht.) Wir anderen, Fukuda, Giscard d’Estaing, ich selbst und wer sonst noch, wir waren dagegen, aber die Amerikaner waren viel stärker als wir, und wir verloren.
    LEE Diesmal werden sie es mit einem sehr mächtigen Gegenspieler zu tun bekommen, dem Renminbi. In ungefähr zwanzig Jahren.
    SCHMIDT Dem stimme ich zu. Ich habe bei Einführung des Euro ein Währungsdreieck vorausgesagt: Dollar, Euro, Renminbi. Es wird sich bilden, dessen bin ich mir ziemlich sicher. Ende nächster Woche werde ich in Peking Zhou Xiaochuan treffen, den Gouverneur der Chinesischen Volksbank . Ich halte ihn für einen vorzüglichen Mann, er ist so gut, wie Trichet war und Bernanke ist. Man könnte sie untereinander austauschen.
    LEE Bei 1,3 Milliarden Menschen fehlt es China nicht an Talenten. Was ihm fehlt, sind Verbindungen zur Außenwelt, der informelle Austausch nur durch Gespräche, beim Mittagessen, beim Frühstück oder auch am Telefon, wo jeder seine Ansichten offen einbringt.
    SCHMIDT Ja. Mir würde es zum Beispiel gefallen, wenn die drei von mir genannten Männer einmal pro Woche zusammenträfen.
    ( SCHMIDT greift wieder nach seinen Zigaretten.)
    MATTHIAS NASS Vorsicht!
    SCHMIDT Von Zeit zu Zeit greife ich ganz automatisch in die Tasche (lacht). Haben Sie eigentlich jemals geraucht, Harry?
    LEE Ich habe 40 bis 50 Stück am Tag geraucht.
    MATTHIAS NASS Und wann haben Sie aufgehört?
    LEE Nun, während eines Wahlkampfs, als ich in jeder Sitzung eine Packung mit zehn Zigaretten rauchte. Ich versuchte mich einzuschränken, indem ich Zehnerpackungen kaufte. Damals habe ich, bei vier oder fünf Versammlungen pro Abend, 40 oder 50 Stück geraucht. Am

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